Andrea Maestro über Hochzeiten und Abschiebungen: Im Zweifel für die Liebe
Integration bedeutet, dass ein Mensch bereit ist, in einer neuen Umgebung Wurzeln zu schlagen. Der Geflüchtete Samar S. aus Pakistan hat die deutsche Sprache gelernt und sich einen Ausbildungsplatz gesucht. Er hat Freunde gefunden und er hat sich verliebt. S. will heiraten – und das sollte seiner Abschiebung im Wege stehen. Es geht dabei nicht nur um ihn selbst, sondern auch um seine Verlobte, deren Zukunftspläne die Ausländerbehörde ebenfalls über den Haufen wirft.
Der niedersächsische Flüchtlingsrat weist auf ein Gerichtsurteil hin, nach dem die bevorstehende Hochzeit eine Abschiebung verhindern kann. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat 2010 entschieden, dass dafür eine Eheschließung „unmittelbar bevorstehen“ muss. Der Termin beim Standesamt sollte also fix sein. „Fehlt es an einem solchen Eheschließungstermin, kann ein unmittelbares Bevorstehen der Eheschließung ausnahmsweise schon dann bejaht werden, wenn das Verwaltungsverfahren zur Prüfung der Ehevoraussetzungen nachweislich erfolgreich abgeschlossen ist“ – oder die Verlobten nicht an der Verzögerung schuld sind, so das Gericht.
Das Paar in Osnabrück habe sich bereits um die nötigen Dokumente für eine Hochzeit gekümmert, heißt es. Sie seien jedoch noch nicht aus Pakistan eingetroffen. Es ist ein Unding, dass die zuständigen Stellen nicht mit der Abschiebung warten, bis es eine Reaktion von den pakistanischen Behörden gibt. Es kann nun einmal dauern, bis solche Dokumente aus den Heimatländern geschickt werden.
Natürlich kann man argumentieren, dass es Scheinehen begünstigt, wenn bevorstehende Hochzeiten ein Abschiebehindernis darstellen. Diese Möglichkeit aber prüfen deutsche Behörden heute schon sehr kritisch. Nur weil sich Einzelne falsch verhalten, dürfen nicht diejenigen darunter leiden, die sich tatsächlich lieben. Ein Land, in dem die Ehe qua Grundgesetz unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung steht, muss Rücksicht auf die individuelle Situation von Geflüchteten nehmen – genau wie auf die ihrer Partner.
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