■ Andersgläubige in der Islamischen Republik: Wein nur in der Kirche
In der Islamischen Republik Iran ist der schiitische Islam Staatsreligion. Revolutionsführer Ajatollah Ruholla Chomeini entwarf die Lehre der „Statthalterschaft der Rechtsgelehrten“. Seit der Revolution im Jahr 1979 bestimmen Geistliche die politischen Geschicke des Landes – als Statthalter für den „Imam al-Mahdi“, den „entrückten Imam“. 873 nach Christus starb der 11. Nachfolger des Propheten Muhammad im irakischen Sammara. Nach schiitischer Lehre hinterließ er einen fünfjährigen Sohn, der jedoch im Kühlkeller des väterlichen Hauses auf rätselhafte Weise verschwand. Laut Chomeini haben schiitische Geistliche die Pflicht, bis zur Rückkehr dieses 12. Imam seine Stellvertreterschaft zu übernehmen.
Doch von den derzeit etwa 60 Millionen IranerInnen sind nur etwa 85 Prozent Anhänger dieser Zwölfer-Schia. Knapp acht Prozent sind sunnitische Muslime, hinzu kommen mehrere nichtislamische Minderheiten: Christen, Juden, Zoroaster und Bahai, verläßliche Zahlen über ihren Anteil an der Bevölkerung gibt es nicht.
Christen, Juden und Zoroaster werden im Iran als religiöse Minderheiten respektiert. Ihre Rechte sind in der Verfassung garantiert. So sind armenischen Christen im Parlament zwei Abgeordnetensitze garantiert, assyrischen Christen, Juden und Zoroastern je einer. Kirchen, Synagogen und zoroastrische Tempel werden sogar vom Staat unterstützt. Hinter ihren Mauern gelten nicht die Regeln des Islam, sondern die der jeweiligen Religion: Christinnen dürfen den Schador ablegen, Armenier und Juden in der Messe Wein trinken. In den Vierteln der Armenier gelten deutliche laxere Sitten als in anderen Stadtteilen. In einigen Geschäften ist sogar selbstgebrauter Alkohol erhältlich – offiziell jedoch nicht für Muslime.
Juden wurden in den Jahren nach der Revolution massiv verfolgt – aus politischen Gründen: den revoluzzenden Mullahs galten sie als Agenten Israels. Über die Hälfte der jüdischen Gemeinde Irans verließ das Land. Nach offiziellen Angaben sind heute nur etwa 40.000 übriggeblieben. Jetzt können sie ihre Kinder auf Schulen schicken, die auch jüdischen Religionsunterricht anbieten und unbehelligt in ihre Synagogen gehen – vorausgesetzt, sie kümmern sich nicht um Politik.
Doch verfassungsmäßig garantierte Rechte schützen nicht immer vor Verfolgung. Menschenrechtsorganisationen berichten von Verhaftungen und Hinrichtungen von Christen. Die meisten von ihnen waren vom islamischen zum christlichen Glauben übergetreten – eine Praxis, die nach islamischer Auslegung den Abfall vom „rechten Glauben“ bedeutet.
Aus dem gleichen Grund werden Anhänger der Bahai praktisch kollektiv unterdrückt. Ihre außerordentlich friedfertige und auf eine Weltgemeinschaft ausgerichtete Religion entstand erst im vergangenen Jahrhundert und ausgerechnet im Iran. Weil der vor fast anderthalb Jahrtausenden gestiftete Islam in den Augen muslimischer Geistlicher „vollkommen“ ist, gilt ihnen eine jüngere Religion als Apostasie. Nach Ansicht der UNO wurden seit der Revolution mehr als 200 Bahai getötet. Laut dem letzten Bericht des UN-Sonderberichterstatters über die Menschenrechte im Iran sitzen derzeit neun Bahai wegen ihres Glaubens in iranischen Gefängnissen. In diesem Jahr wurden zwei Todesurteile gegen Bahai gefällt – Urteilsbegründung: Abfall vom rechten Glauben.
Im öffentlichen Leben haben Bahai keine Chance. An den Universitäten werden keine Bahai als Studenten akzeptiert. Selbst der international bekannte Filmregisseur Bahram Beysaie darf seit fünf Jahren keinen Film drehen. Weil er aus einer Bahaifamilie stammt, hat er de facto Berufsverbot.
Kaum Probleme haben dagegen Zoroaster. Ihr Glaube war im Iran bis zur arabischen Eroberung im Jahr 642 quasi Nationalreligion. In der Islamischen Republik, die sich von den arabischen Staaten abgrenzt, gilt sie als nationale Besonderheit. Unbehelligt dürfen Zoroaster in ihren Tempeln Feuer und Licht verehren. taud
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