piwik no script img

Anarcho-Rap gegen Gangsta's Langeweile"Ich werd nie mehr gesund"

Favorite, ein Rapper aus dem Rheinland, sorgt mit seinem quietschbunt überzeichneten Comicrap für Abwechslung von ausgelutschten Gangsta-Images und Hiphop-Vorstellungswelten.

Favorite: Nicht als Schwerkrimineller sondern als Brokkoligemüse unterwegs. Bild: promo

In den Chefetagen und Thinktanks der kleinen, aber sozialisatorisch einflussreichen deutschen Rapmusikindustrie herrscht Ratlosigkeit: "Gangsta-Rap ist nicht mehr der heiße Scheiß." So formulierte es nicht nur das Szene-Leitmedium Juice, selbiges scheinen auch die Entscheider bei den großen Plattenfirmen zu vermuten, wenn sie aus den unspektakulären Verkaufszahlen des Image-Rappers Massiv schlussfolgern, ihr Hiphop-Risikokapital sei vielleicht doch besser in rebellischen Gymnasiasten angelegt: Anders als erwartet, konnte nämlich kein Künstler in letzter Zeit mit schwerkriminellen Themen die Erfolge von Marktführer Bushido und seinem ehemaligen Label Aggro Berlin toppen.

Ob harmlosere Charaktere nun mehr erreichen werden, bleibt offen. Doch irgendwie ist nun die Zeit gekommen für ein paar erfrischende Chaoten, bevor die nächste Gangstawelle die Jugend fluten kann. Sogar Aggro-Aushängeschild Sido reagierte auf die geänderte Marktlage bereits, indem er in seiner aktuellen Single einen Kinderchor gewalthemmend "Mama, mach die Augen auf" singen lässt. Auch, wenn er damit nicht die klammen Kassen der Rapmonopolisten auffüllt.

Der Markt richtet seinen Scheinwerfer nun auf ein paar andere Ecken im Kinderzimmer. Um zu sehen, was die Kleinen da umtreibt, böte sich etwa das aktuelle Album des Newcomers Favorite an. Der 21-Jährige - mit seinem Album "Anarcho" auf Platz 24 der Charts eingestiegen - hat ein aufstrebendes Indie-Label im Rücken: Selfmade Records konnte bereits mit Kollegah einen Nachwuchsrapper etablieren, der durch reimerisches Talent statt authentischer Gangsta-Images auffiel.

Jugendfreier sind die Inhalte nicht, die Kollegah und Favorite auffahren, um sich selbst und ihr von multimedialer Dauerbeschockung abgestumpftes Publikum zu unterhalten.

Auf einem Promofoto posiert Favorite etwa mit blutiger Nase und Plastik-Uzi im Brokkoli-Kostüm. Seine Texte stehen für bunte Comicgewalt statt asphaltgrauer Ghettoromantik. Verantwortlich dafür, seine Sprechblasen musikalisch ebenso bunt auszugestalten, ist der Produzent Rizbo. Das aus dem Balkan stammende Schwergewicht hat nicht nur genug Humor, um mit jungen Hunden wie Favorite im Studio klarzukommen, er schafft es auch, die Textmischung aus Spaß und Action in stringente Beats zu übersetzen. Seine Musik kommt zwar ohne große Experimente aus, aber sie zeigt den Stand der Dinge und hält das Tempo hoch.

Wer mit einem Eminem-Album feiern kann, erlebt auch bei "Anarcho" die eine oder andere Überraschung.

Im Titeltrack "Anarcho Rap" wird die Erkennungsmelodie aus Emir Kusturicas Komödie "Schwarze Katze, Weißer Kater" verarbeitet. Vorweg geht ein philosophischer Einschub aus "Fight Club": "Durch das Fernsehen sind wir in dem Glauben groß geworden, dass wir alle eines Tages Millionäre, Rockmusiker oder Filmstars werden. Aber das stimmt nicht!"

Trotz aller Image-Anleihen beim amerikanischen Vorbild spiegelt Favorites Musik seine Mittelschichtsjugend. "So wie Fave bist du auch", titelte er auf dem Vorgängeralbum. Nun behauptet der lyrisch wild um sich schießende Brokkolimann: "Ich verkörper die Jugend von heute." Mit "Anarcho" ist es dabei ein bisschen wie mit der Story, die Matt Damon und Ben Affleck 1997 für "Good Will Hunting" aufstellten: soziologisch interessanter und eventuell sogar repräsentativer wäre es, wenn es keine harte Jugend gäbe, die all den Wahnsinn des eigentlich so sympathischen Protagonisten zum potenziellen Opfer küchentischpsychologischer Kurzschlüsse macht.

Doch das Glück hatte Favorite leider nicht. Christoph Alex, so sein bürgerlicher Name, verlor seine Eltern im Alter von 12 Jahren bei einem Brand. Bei der Tante hielt er es nicht aus, also ging er freiwillig ins Heim. Wenn er heute angibt, das Schlimmste dort sei der permanente Diebstahl seiner Gangsta-Rap-CDs gewesen, lässt sich daraus, wenn überhaupt, die Bedeutung der Musik schlussfolgern. Spurlos ging dieses Unglück sicher nicht an ihm vorbei. In der ersten musikalischen Aufarbeitung "Gegen den Herrn" wetterte Favorite mit "Ich weiß, Menschen sterben, das ist kein Happy End, doch du setzt noch einen drauf und verbrennst sie." Auf der aktuellen Single "Ich vermiss euch" heißt es: "Sie sind tief, diese Wunden, ich werd nie mehr gesund, doch ihr habt wenigstens gemeinsam euren Frieden gefunden." Mit einer anderen Vita hätte Favorite seine Pubertät wie die Klassenkameraden auf der Abschlussfahrt im Alkohol ersaufen lassen. So wurde aus ihm eine jener Rapfiguren, die mit ihrem privaten Wahnsinn tiefer blicken lassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

14 Kommentare

 / 
  • M
    malte

    Kollegah ist definitiv ein Reimtalent, ob er nomen aneinander reimt oder sich raussucht und aneinander reimt! von mir aus..... aber es gibt keinen 2ten der so unglaubliche vergleiche hat, so unfassbare methapern und so undglaublich doppel, tripple und was weiß ich reime!

    und wenn den Text Toxic geschrieben hat, hat er, und er ist ja bekannter maßen hiphop.de chefredaktuer.... wird es auch sinn haben und verstand!... wer sonst wenn nicht der CHEFREDAKTEUR von dem größtem HipHop magazin im interent????

     

    alles was hier gegen kollegahs reime talent sagt und gegen den schreiber des textes... lebt weltfremd und leider keine ahnung! schade...

  • E
    Erik

    Jeder, der die große sprachliche Fähigkeit, und die Verbindung zur Musik, in Frage stellt, sollte seine eigene Sprachweise etwas überprüfen und irgendwann feststellen, dass die Wahrheit, die Realität, einfach so traurig ist, wie sie dargestellt wird bei Favorite. Und Kollegah ist sicherlich kein Flow-Experte, außer bei Doublerhymes, aber eine Reimgenie ist erf wohl, du Rapwissender.

  • EC
    Eric Cartman

    Erschütternd, bis auf vielleicht zwei, drei Kommentare.

    Sind denn alle diese Hiphop-Spastis hirnamputiert?

  • P
    parkdeck

    Dafür, dass bei Favorite "alle gottverdammten Schwulen gekillt" werden, und "Nigger" nach dem Flammenwerfer "aussehen wie Seal", finde ich den Artikel empörend oberflächlich und unkritisch!

    Beim zuhören des "lustigen, comichaft überzeichneten Brokkoli-Mannes" wird mir übel.

    So ein Text passt auf deutsche HipHop-Seiten (wie man an den meisten Kommentaren ablesen kann) aber bitte nicht in den Kulturteil der Taz, der ja sonst eigentlich ganz gut ist.

  • D
    D.S.

    Der Autor dieses Artikels scheint noch in den Anfängen seiner Schreibe zu stecken, denn der Artikel strotzt nur so vor lapidaren Floskeln und oberflächlichen Hip Hop Klischee-Sätzen.

    Wenn schon jemand über einen Newcomer schreiben und ihn auch einem fachfremden Publikum vorstellen möchte, dann doch bitte jemand, der sich in dem Metier auskennt.

    Der Artikel besitzt leider keinerlei relevanten Inhalt, weder für Leute, die Hip Hop hören und erst recht nicht für solche, die ihn nicht hören!

  • K
    Killpah

    @ Killmah

     

    Sag mal wie alt bist du???

    Wenn jemand texte am rechner schreibt hört sich das abgehackt an??

    Hast du sie noch alle??? das hat doch gar nichts mit einander zu tun du Vogel. Du scheinst mir ja eine richtige Leuchte zu sein. Ich wette mit dir das jeder der grossen Rapper einen Laptop hat und diesen auch zum texte schreiben nutzt. Wenn man mit der hand schreibt hört sich das flüssiger an?

    Und "Fav" schreibt auf was ihm in den sinn kommt? Das macht jeder rapper, du dulli.

    Nutz mal dein gehirn oder willst du mir tatsächlich weiss machen du kannst an worten hören wie sie aufgeschrieben worden sind?

     

    Tzzzzzzzzz du Hampelmann

  • K
    Kappu

    Das Kollegah nur Reime sucht un daraus irgendwelche merkwürdigen Lines zusammenschustert, sieht man schon daran, dass er so komische Worte wie "Fensterglasscheiben" (anstatt einfach Fenster) benutzt... ich mein, wer sagt denn sowas, außer vlt. Glaser??? Mehr muss man nicht sagen.

  • T
    Tukan

    killmah is wohl einer der größten idioten die ich je gesehen hab!

    wer texte am pc schreibt kann kein guter rapper sein? wer bei seinen texten nachdenkt und struktur reinbringt kann kein guter rapper sein?

    alter bitte erschiess dich!!!!!! BITTE!!!

    da krieg ich so einen hass auf die hiphop-szene..mehr als die hälfte aller hörer sind verstrahlte idioten!

    hast warscheinlich selbst noch nie n text geschrieben und wenn dann reimst du haus-maus und feierst dich weil du nicht nachdenkst und scheiße schreibst!!

    und fav rappt flüssig? ich find seinen style selber auch geil aber wenn du ahnung von rap hättest würdest du hören das er sau viel cuttet und meistens nicht mal 4lines am stück aufnimmt!!

     

    und solltest du rappen..dich ... ich sicher auch ohne blatt und stift

    www.myspace.com/tukandershiat

  • K
    Kruuuu

    "wer am PC schreibt, kann kein talentierter Rapper sein"

     

    hahahaha, sinn?

    so nen gequirlten hirnbrei hab ich echt noch NIE gelesen... kollege, du glaubst gar nich wie viele Artists ihre Texte mittlerweile am Rechner schreiben...

  • A
    Anti-Hater

    @sohnemann: als "Rapwissender" solltest du schon wissen, wer der Autor ist & dann wüsstest du auch dass er sich da auskennt. Also bitte nicht so aufspielen... Übrigens: Favorite ist definitiv sehr erfrischend für "Rapwissende" wie mich!

  • A
    Aggro

    Schöner Artikel, der die ganze Geschichte mal aus einem anderen Blickwinkel betrachtet.

     

    Und von Herr oder Frau Sohnemann würde ich dann gerne wissen, wieso Kollegah kein Reimtalent sein sollte?

    Ein Beispiel das für ihn sprechen würde wäre "Bundesligatorjägerliste / dunkellila Sportledersitze". Dies ist übrigens bei weitem nicht der einzige Reim, der in dieser Kategorie mitspielt!

  • K
    killmah

    @ Sohnemann

     

    finde ich auch, was Kolle macht hat nichts mit Talent zu tun. Er schreibt sich Nomen auf und reimt darauf was und dann verbindet er die am Ende, wer seine texte am pc schreibt kann kein talentierter rapper sein, da is zu viel struktur drin udn es hoert sich alles immer so abgehackt und erzwungen an, einfach schlecht.

     

    gebe dir also 100% recht.

     

    aber Fav ist ein Reimtalent, weil der einfach aufschreibt was ihm in den Sinn kommt und zwar mit dem stift. das hoert sich auch viel fluessiger an, ausserdem is kolle ja auch image rapper, is ja klar dass sich alles so zuhaeltermaessig anhoeren muss. naja kolle is whack.

  • SS
    selfmade soldier

    Kollegah NICHT als Reimtalent darzustellen ist eine Frechheit für Rapwissende ;)

  • S
    Sohnemann

    Nach dem Lesen des Artikels vermute ich das der Autor nicht mehr als 1 höchstens 2 Songs von den Künstlern gehört hat. Und Kollegah als Reimtalent darzustellen ist eine Frechheit für Rapwissende.