Analyse: Die Nato hilft nach
■ Milosevic und Rugova verhandeln nicht zuletzt auf Druck der Nato
Man kann es wenden, wie man will. Vieles in der Politik hängt auch an Persönlichkeiten. Da bemühten sich in den letzten Wochen diverse Unterhändler darum, überhaupt einen Dialog zwischen der serbischen Führung unter Slobodan Milošević und jenen der Kosovo-Albaner unter Ibrahim Rugova zustande zu bringen. Die Tür für Verhandlungen schien schon zugeschlagen. Die Panzer waren schon in Stellung gebracht. Die albanische Untergrundorganisation UCK unternahm weitere Anschläge auf serbische Polizisten. Eine serbische Militäraktion größeren Ausmaßes schien im Kosovo sicher bevorzustehen.
Doch mit dem Auftauchen des US-amerikanischen Sondergesandten Richard Holbrooke sind die Fronten etwas aufgeweicht worden. Seiner Pendeldiplomatie ist es zu verdanken, daß die beiden Hauptkontrahenten jetzt überhaupt miteinander reden. Wenn heute Rugova und Milošević zu direkten Gesprächen zusammentreffen, wird zwar kein internationaler Vermittler, wohl aber ein internationaler Beobachter anwesend sein. Keine Seite hat ihr Gesicht verloren. Dies zeugt von diplomatischem Geschick.
Und von dem, was Holbrooke im Hintergrund in die Waagschale werfen konnte. Diplomatisches Geschick allein verbürgt keinen Erfolg. Eher schon die impliziten Drohungen von Nato und den USA. Holbrooke konnte Druck mit der Bereitschaft der Nato machen, Truppen nach Albanien und Makedonien zu bewegen. Die für Juni angesetzten Manöver in Makedonien sind ein deutlicher Fingerzeig.
So scheint es, daß Milošević nicht schalten und walten kann, wie er will. Eine großangelegte Militäraktion zur endgültigen Vertreibung Hunderttausender, eine Politik ethnischer Säuberung, könnte eine ausländische Einmischung heraufbeschwören. Noch sind die Entscheidungen dafür nicht getroffen, die Bereitschaft in Nato-Kreisen aber wächst. Wenn Verteidigungsminister Volker Rühe von „Flugverbotszonen“ spricht, mag dies als klarer Hinweis gelten.
Auch die albanische Untergrundorganisation UCK muß sich vorbereiten, von westlichen Militärs überwacht zu werden. Der bewaffnete „Befreiungskampf“ gegen die „serbische Besatzungsmacht“ mag zwar viele Kosovo-Albaner mobilisieren, im Ausland jedoch sind ihre politischen Ziele bisher unklar geblieben. Eine Organisation, die sich nicht erklärt, gerät in Verdacht, auf die Bahnen der Truppen der Roten Khmer zu geraten, wenn sie nicht sogar von Belgrad aus gesteuert wird. Mit den von Holbrooke vermittelten Verhandlungen und den Diskussionen in der Nato ist die Chance für eine Atempause da – und damit auch die Chance für beide Seiten, ihre Interessen zu definieren. Der Big Stick jedoch muß sichtbar werden. Erich Rathfelder
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