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AnalyseArm gegen Reich

■ Fünf Bundesländer argumentieren gegen den neuen Geiz der Südstaatler

Bayern und Baden-Württemberg behaupten, der Länderfinanzausgleich mache aus ihnen arme Bundesländer. Der Bielefelder Verfassungsrechtler Joachim Wieland hält diese Ansicht für „willkürlich und irreführend“. Für die Länder Berlin, Bremen, Niedersachsen, Saarland und Schleswig- Holstein hat er ein Gutachten geschrieben, das Argumente gegen die Klage der beiden Südländer vor dem Verfassungsgericht sammelt. Die reichen Südstaatler wollen weniger Geld in den Ausgleichstopf einzahlen, über den 12 Milliarden Mark im Jahr zwischen den Ländern umverteilt werden.

Mit dem Schulterschluß demonstrieren die fünf Länder Geschlossenheit gegen ein neues System des „Wettbewerbsföderalismus“. Die Südlander wollen in Zukunft 50 Prozent ihrer Finanzkraft für sich behalten. Der bisher praktizierte Ausgleichsmechanismus raube ihnen bis zu 80 Prozent ihrer überdurchschnittlichen Finanzkraft, argumentieren Bayern und Baden-Württemberg in Karlsruhe. Die Geberländer (neben den Südländern zählen NRW, Hessen, Hamburg und Schleswig-Holstein dazu) bekommen aber ihrerseits vom Bund soviel Geld zurück, daß sich an der ursprünglichen Reihenfolge der Finanzkraft nichts ändert. Das ist eines der zentralen Argumente des Verfassungsrechtlers Wieland gegen die Klage. Der ideologische Umschwung in Richtung Finanzdarwinismus sei nicht durch das Grundgesetz gedeckt, findet Wieland. Für kleine und arme Länder stelle sich damit früher oder später die Existenzfrage. Für die fünf Länder verweist der Bielefelder auf den kooperativen Föderalismus. Im Jahr 1995 wurde der Länderfinanzausgleich bis 2004 beschlossen – mit den Stimmen von Bayern und Baden Württemberg. Daß bereits jetzt an den Vereinbarungen gerüttelt wird, sehen die armen Länder als Angriff auf den Solidarpakt. Auch die Nehmerländer könnten indes Interesse an einem anderen Finanzausgleich haben. Oft lohnt sich für sie nicht, selbst mehr Einnahmen zu erzielen. Als etwa Bremen 1998 mehr Steuern verzeichnete, senkte der Finanzausgleich den Zuschuß der anderen Länder. Ergebnis: Minus in der Kasse.

Für die Stadtstaaten ist es zudem ein Problem, daß ihnen die Einkommenssteuer der Bürger entgeht, die in der City arbeiten, aber im Speckgürtel und damit im Nachbarland wohnen. Die Klage der Südländer greife unzulässigerweise nur einzelne Punkte des Finanzsystems heraus, schließt das Gutachten Wielands daraus – und verlangt, das gesamte System des Finanzausgleichs der Republik zu betrachten. Ein solcher Konflikt aber muß von der Politik und in Karlsruhe ausgetragen werden. Eine Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern steht ohnehin an. Noch dieses Jahr will die Bundesregierung mit den Ländern die Gespräche darüber beginnen. Christoph Dowe

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