Analyse: Es lebe der Soli!
■ Die Bonner Koalition hat endlich ihr neues Streitthema gefunden
Die Steuerreform ist tot. Es lebe der Soli! Nachdem die Steuerreform mehr oder weniger beerdigt ist, braucht sich niemand Sorgen zu machen, daß ein Streitvakuum in Bonn entstehen könnte. Der alles beherrschende Disput der nächsten Wochen wird sich wohl um die Senkung des Solidaritätszuschlags drehen. Diesmal sind die Streithähne die FDP, die auf eine Senkung beharrt, und die Union, der nachgesagt wird, alles beim alten lassen zu wollen. Schon wird wieder spekuliert, ob die Koalition daran zerbrechen könnte. Die Chancen für eine Einigung von CDU und FDP stehen aber besser, als von vielen erhofft.
Es lebe der Soli! Die Bonner Koalition hat endlich ihr neues Streitthema gefunden
Die Diskussion wird zunehmend um die Frage der Gegenfinanzierung geführt. Die Stimmen, die einen Verzicht der Soli-Senkung fordern, werden weniger und moderater. Und nur an dieser Frage kann aller Voraussicht nach die Koalition scheitern. Gern wird zwar Finanzminiter Theo Waigel mit der Äußerung vom Wochenende zitiert: „Es gibt noch keine Entscheidung und auch keine Vorentscheidung.“ Doch diese Wiedergabe ist verkürzt. Waigels Äußerung bezog sich nicht auf das Schicksal des Solis, sondern auf die Gegenfinanzierung. Auch die ostdeutschen Ministerpräsidenten scheinen einzuknicken. Kurt Biedenkopf (Sachsen), bisher entschiedener Gegner einer Soli-Senkung, hat am Wochenende seinen Segen lediglich unter der Einschränkung gegeben: „Wenn das vernünftig gegenfinanziert wird.“ Bernhard Vogel (Thüringen) bezweifelt, ob eine Soli-Senkung „zu verantworten“ sei. Das hat sich schon mal dramatischer angehört und kann auch als geordneter Rückzug verstanden werden.
Vorschläge zur Gegenfinanzierung des Einnahmeausfalls von 7,1 Milliarden Mark, der durch die Soli-Senkung entsteht, gibt es genug. Drei Milliarden könnten durch die steuerliche Belastung von Lebensversicherungen hereinkommen. Zwei Milliarden sollen nach dem Rasenmäherprinzip in allen Haushaltsetats eingespart werden. 300 Millionen könnte die Erhöhung der Tabaksteuer bringen, 700 Millionen bei den Kernkraftbetreibern eingesammelt werden. Die Nettoentlastung für die Bürger soll mindestens eine Milliarde betragen. Und dann besteht ja noch die Möglichkeit, aus einer Überkreuzbeteiligung in Höhe von 7,5 Prozent zwischen der deutschen und der französischen Telekom sieben Millarden Mark zu erlösen. Der Trick dabei: Der Bund kassiert den Erlös aus dem Verkauf der Telekomaktien, muß aber nicht im Gegenzug den Anteil an der France Télécom bezahlen. Für den kommt die deutsche Telekom AG auf.
Über diese Vorschläge läßt sich zwar trefflich streiten. Schließlich fragt sich, was den 24 Millionen Lebensversicherten eine Soli-Senkung nutzt, wenn sie dafür Einbußen durch die Besteuerung ihrer Lebensversicherungen haben. Aber wenn die Koalition sich einigen will, dann hat sie die Möglichkeiten dazu. Und was bleibt ihr anderes übrig? Wie hatte der Fraktionsvorsitzende der FDP, Hermann-Otto Solms, im Dezember 1995 so schön gesagt: „Bei meinem Schnauzbart: 1997 kommt der Einstieg in den Ausstieg.“ Markus Franz
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