Analyse: Wunsch nach Profit
■ Die USA geben grünes Licht für den Bau der Erdgasleitung durch den Iran
Nach jahrelangen Verhandlungen haben jetzt die drei Länder Turkmenistan, Iran und die Türkei den niederländisch-britischen Mineralölkonzern Shell mit dem Bau einer Erdgasleitung von der ehemaligen Sowjetrepublik Turkmenistan in die Türkei beauftragt. Die Witz dabei: Die Pipeline führt durch den Iran, auf dem kürzesten Weg in die Türkei. Von dort soll das Erdgas weiter nach Europa.
Begonnen hatte die Verhandlungen vor Jahren der heutige türkische Staatspräsident Süleyman Demirel. Als dann in Ankara mit Necmettin Erbakan erstmals ein Islamist an die Macht kam und dieser ausgerechnet in Teheran verkündete, die Türkei und der Iran seien sich über den Bau der Pipeline einig, ging ein Aufschrei der Empörung durch die Staatskanzleien Europas und den US-Kongreß. Die vermeintlich islamische Außenwirtschaftspolitik hatte politisch jedoch genau den gegenteiligen Zweck: Schrittweise sollte der Iran in die westlich dominierte Weltwirtschaft zurückgeholt werden.
Für die Türkei, aber auch für die neu gegründeten zentralasiatischen Staaten der früheren Sowjetunion war schon länger klar, daß die Ausbeutung der Öl- und Erdgasvorkommen am Kaspischen Meer ohne den Iran als Transitland enorm teuer werden würde. Vor allem Kasachstan und Turkmenistan mußten sich entweder nach Osten, über Afghanistan und China orientieren oder eine sehr teure Leitung durch das Kaspische Meer legen lassen. Beides hätte die Ausbeutung der Vorkommen um Jahre verzögert, beide Länder aber sind dringend auf die Einnahmen aus ihren Rohstoffquellen angewiesen.
Zwei Ereignisse führten dazu, daß nach jahrelangen Debatten dann plötzlich alles ganz schnell ging. Erst drängte das türkische Militär Erbakan vom Sessel des Ministerpräsidenten, dann wählten die Iraner den liberalen Mohammed Chatami zum neuen Präsidenten. Noch vor dessen Amtsantritt gaben die USA am 25. Juli bekannt, daß sie eine Erdgasleitung durch den Iran nunmehr tolerieren würden.
Mesut Yilmaz, Erbakans Nachfolger in Ankara, wird von den USA in Zentralasien nun auch weitergehend unterstützt. Für den Frust im Westen bekommt er Kompensation im Osten. Bei seinem Besuch in Washington und Turkmenistan war zwar noch einmal von einer Pipline durchs Kaspische Meer die Rede, schließlich stimmten die USA aber der Auftragsvergabe an Shell zu.
Obwohl es in Washington zunächst hieß, damit sei keine grundsätzliche Änderung der Iran-Politik verbunden, kommt doch langsam Bewegung in die Asienpolitik der Vereinigten Staaten. Der gemeinsame Wunsch nach Profit macht's möglich. Jürgen Gottschlich
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