Analyse: Terror in Sri Lanka
■ Anschlag der separatistischen "Befreiungstiger" war zu erwarten
Bei einem Selbstmordanschlag mutmaßlicher tamilischer Separatisten sind in der srilankischen Stadt Kandy gestern früh elf Menschen getötet und über zwanzig verletzt worden. Ein mit Sprengstoff beladener Lastwagen durchbrach vor dem wichtigsten buddhistischen Tempel des Landes die Sicherheitsschranken für die 50-Jahr-Feier zur Unabhängigkeit Sri Lankas, bevor sich die drei Attentäter in die Luft sprengten. Aus Rache brannten darauf Buddhisten ein hinduistisches Kulturzentrum nieder. Die im zentralen Hügelland hundert Kilometer östlich der Hauptstadt Colombo gelegene alte Königsstadt Kandy ist das religiöse Zentrum des srilankischen Buddhismus, der Staatsreligion. Präsidentin Chandrika Kumaratunga hat die Stadt als Schauplatz für die Jubiläumsfeiern am 4. Februar gewählt, um dort in Anwesenheit zahlreicher ausländischer Gäste (unter ihnen der britische Kronprinz Charles) an diese doppelte Tradition anzuknüpfen.
Für die tamilischen Guerillas der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE), die von der Polizei des Attentats bezichtigt werden, ist das Datum zweifellos eine politische Herausforderung, die durch die Wahl Kandys noch verschärft wird. Denn mit dem Brückenschlag zur ehemaligen Monarchie und zum Buddhismus appelliert die Regierung an zwei Symbole des singhalesischen Mehrheitsdenkens, das die hinduistischen Tamilen ausschließt. Zudem verfolgt gerade der in Kandy ansässige buddhistische Klerus eine scharfe Anti- LTTE-Politik. Es war daher zu erwarten, daß die LTTE versuchen würden, am Jahrestag mit einem Bombenknall ihre Ablehnung dieses Staats kundzutun. Das ist jetzt noch vor den am Donnerstag stattfindenen Kommunalwahlen gelungen. Im Norden des Landes geht der Krieg unvermindert weiter. Verteidigungsminister Anuruddha Ratwatte hatte Anfang Januar erklärt, bis zum Jubiläumstag werde die Straße in den Norden nach Kilinocchi und von dort nach Jaffna freigekämpft sein. Doch nach neun Monaten blutiger Gefechte, mit mehreren tausend Opfern auf beiden Seiten, ist es der Armee im größten Einsatz des vierzehnjährigen Bürgerkriegs nicht gelungen, die Schlagkraft der Guerillas entscheidend zu treffen. Präsidentin Kumaratunga hat inzwischen indirekt zugegeben, daß sie den Stufenplan eines militärischen Siegs über die LTTE als Vorbedingung der politischen Föderalisierung des Landes aufgegeben hat. Es wird erwartet, daß sie die Unabhängigkeitsfeier nutzen wird, ihren Plan weitgehender Autonomie der Provinzen als historische Notwendigkeit zu verkaufen, soll der Konflikt endlich beigelegt werden. Da sie die singhalesische Opposition bisher nicht für die entsprechenden Verfassungsänderungen gewinnen konnte, vermuten Beobachter in Colombo, daß sie den in der Verfassung nicht vorgesehenen Weg über eine Volksabstimmung wählen könnte. Bernhard Imhasly
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