Analyse: Spanien sagt: Schluß!
■ Sogar die Freunde der baskischen ETA haben vom Terror die Nase voll
Es sind Bilder wie im letzten Sommer. Wieder gingen am Samstag Hunderttausende in ganz Spanien gegen die baskische Untergrundorganisation ETA auf die Straße. Sie protestierten gegen den Mord am Stadtkämmerer von Sevilla, Alberto Jiménez Becerril, und dessen Ehefrau Ascensión Garcia Ortiz. Jiménez ist der vierte tote Kommunalpolitiker der in Madrid regierenden Partido Popular (PP).
„Basta ya“ – Schluß jetzt – stand auf den Transparenten, unter denen sich eine halbe Million Menschen in Sevilla und weitere 100.000 Demonstranten in der Baskenmetropole Bilbao versammelten, unter ihnen die gesamte Politprominenz Spaniens. Es war ein parteiübergreifender, ohnmächtiger Ruf nach einem Ende der Gewalt.
Die ETA wird ihn einmal mehr überhören. Die Schläge gegen die schwächsten Glieder in der Hierarchie der Regierungspartei von José Maria Aznar – die gewählten Volksvertreter vor Ort – sollen Madrid unter Druck setzten, den Konflikt verschärfen und vor allem die Geduld der spanischen Bevölkerung auf die Probe stellen. Aznar, der bei seinem Amtsantritt im Frühjahr 1996 stolz alle Gesprächskontakte zur ETA abbrechen ließ, die sein sozialistischer Vorgänger Felipe González sorgsam pflegte, um so „der Gruppe immer den Puls zu fühlen“, soll mit der Kampagne gegen die Gemeinderäte dazu gebracht werden, auf Knien um Gesprächskontakte und Verhandlungen mit der ETA zu bitten.
Aber die Rechnung ist nicht aufgegangen. Die ETA macht mit ihren Anschlägen die spanische Rechte endgültig hoffähig und die Gemeinderäte der PP im Baskenland zu Vorkämpfern für demokratische Rechte. „Wir alle sind von der Partido Popular“, rief eine Sozialist auf der Trauerfeier im Stadtrat von Sevilla.
Die Anti-ETA-Demonstrationen sind den Strategen des Nationalen Befreiungskampfes sicherlich egal. Was sie allerdings kaum überhören dürften, sind die kritischen Töne in den eigenen Reihen. In der ETA-nahen Gewerkschaft ELA, ja selbst in der linksnationalistischen Wahlkoalition Herri Batasuna (HB) und unter den knapp 600 ETA-Gefangenen in spanischen und französischen Gefängnissen werden die Stimmen für ein Ende der Terrorkampagne immer lauter. Historische ETA-Mitglieder fordern aus ihren Zellen heraus sogar einen sofortigen bedingungslosen Waffenstillstand, um der Politik den Vorrang vor den Waffen zu geben.
Bisher war die Stimmung im legalen Umfeld der ETA immer ein Indikator dafür, was innerhalb der Untergrundorganisation gekocht wird. Wenn der harte Kern mit seinem gnadenlosen Krieg gegen die „Feinde des baskischen Volkes“ weitermacht, ist bald eine neue Spaltung des baskischen Nationalismus zu erwarten. Reiner Wandler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen