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AnalyseEine Zäsur in Indien

■ Die Hindu-Partei BJP gewinnt die Vertrauensabstimmung im Parlament

Vier Monate hat es gedauert, bis die träge Riesenmaschinerie der indischen Demokratie eine neue Führung ausgespien hat. Die Wähler hatten ein zersplittertes Votum abgegeben, als sie die 540 Sitze auf 41 Parteien verteilten und keiner von ihnen mehr als 25 Prozent der Stimmen zugestanden. Die Spannung hielt daher bis Samstag abend an, ob es der Koalition der nationalistischen Hindu-Partei BJP gelingen würde, ihre Allianz aus 18 Parteien über die Hürde der Vertrauensabstimmung zu retten. Schließlich sprachen sich, neben einigen Enthaltungen, 274 Abgeordnete für die BJP aus, 261 waren dagegen. Damit kommt mit Atal Behari Vajpayee – abgesehen von einem 13tägigen Intermezzo vor zwei Jahren – erstmals in der Geschichte der indischen Republik ein Politiker an die Regierungsspitze, der nicht in der Kongreßpartei groß geworden ist.

Um mit ihren 179 Sitzen doch noch das Rennen zu machen, mußten Vajpayee und seine graue Eminenz L.K. Advani im gleichen Maß ideologischen Ballast abwerfen, wie sie ihre Allianz mit weiteren Parteien und Politikern auffüllten. Dies zeigte sich besonders drastisch, als es im darum ging, den neuen Parlamentsvorsitzenden zu bestimmen. Die BJP hätte für diesen in Zeiten wechselnder Mehrheiten wichtigen Posten gern einen eigenen Mann auf den Schild gehoben. Doch die Opposition hatte mit Purno Sangma einen Kandidaten, der sich im letzten Parlament einen guten Ruf geschaffen hatte. Zudem war er, politisch korrekt, ein Stammesangehöriger. Im letzten Moment – Parteichef Advani hatte Sangma zum Schein bereits gratuliert – ließ dieser die Katze aus dem Sack: Für die Unterstützung der zwölf Vertreter der Regionalpartei TDP aus Andhra Pradesh offerierte die BJP ihr den begehrten Posten. Der völlig unbekannte Abgeordneter C.M.G. Balayogi aus einer Ecke des Südstaats – politisch ebenso korrekt ein Kastenloser – wurde Stunden vor Ablauf des Einschreibetermins ins Flugzeug nach Delhi gesetzt.

Bei so vielen Kompromissen – beinahe die Hälfte des Kabinetts ist mit Vertretern von Kleinparteien bestückt – stellt sich die Frage, ob die BJP auf der ideologischen Ebene Terrain gutmachen will. Zwar hat sie ihre Lieblingsthemen – kein Sonderstatus für das islamische Kaschmir und die Muslime, Bau eines Tempels auf dem Gelände der Ayodhya-Moschee – aus ihrer „nationalen Agenda“ gestrichen. Und in der Regierungserklärung durch Präsident Narayanan fehlte sogar die zuvor verkündete Absicht, Indien zur Atommacht aufzubauen. Doch wer weiß wirklich, wieviel von der Haß- Agenda der BJP noch in der Schublade liegt, und wieviel sie über Bord geworfen hat? Erstmals wird die BJP nun Farbe bekennen müssen. Insofern ist das rätselhafte Verdikt der Wähler, vor allem mit seinen eingebauten Sicherungen, klar und begrüßenswert. Bernard Imhasly

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