Analyse: Alliance versichert
■ Frankreichs Rechte schließt sich zu einem neuen Dachverband zusammen
Eine gewichtigere Hommage hätte sich Frankreichs sozialistischer Premierminister Lionel Jospin am ersten Jahrestag seines Amtsantritts nicht wünschen können: Die geballte französische Rechte, die in der Nationalversammlung gegenwärtig das triste Dasein einer schwachen, zerstrittenen Opposition führt, gründete gestern offiziell ein neues Bündnis. Die fünf Männer nannten es „Alliance“. Damit wollen sie zeigen, daß sie einig sind. Alliance soll keine Partei, sondern ein Dachverband werden, eine Gelegenheit zur taktischen Zusammenarbeit und zur Rückgewinnung der verlorenen WählerInnen. Was sie inhaltlich vorhaben, können die fünf Gründerväter freilich noch nicht genau erklären. Das Programm von Alliance soll erst im Herbst fertig sein. Bis dahin darf man getrost erwarten, daß hinter den neuen Kulissen wie gehabt die Fetzen fliegen werden.
Denn was die Chefs der neogaullistischen RPR, Philippe Séguin und Nicolas Sarkozy, der konservativ-liberalen UDF, François Léotard und Philippe Bayrou, und denjenigen der ultraliberalen Democratie Libérale, Alain Madelin, miteinander verbindet, ist durch die Neugründung nicht klarer geworden. Im Gegenteil: Im Vorfeld der Alliance-Taufe intensivierten sich sogar noch die Spannungen angesichts fast aller wichtigen politischen Fragen – vom Euro bis hin zu der Zusammenarbeit mit der rechtsextremen Front National. Im vergangenen Monat zog die Democratie Libérale aus dem Bündnis UDF aus, um sich selbständig zu machen.
Der innerrechte Konflikt in Frankreich ist endemisch, auch wenn sich Themen und Erscheinungsformen wandeln. Die Konfliktlinien verlaufen dabei sowohl zwischen Neogaullisten und Liberalen als auch im Inneren der beiden Hauptströmungen der französischen Rechten. Am offensichtlichsten eskalierte der Kampf, als 1995 zwei Neogaullisten – Jacques Chirac und Edouard Balladur – gegeneinander antraten und sich um denselben Staatspräsidentenposten stritten. In der jüngsten Vergangenheit machten die rechten Putschversuche gegen den neogaullistischen Pariser Bürgermeister Jean Tiberi die Streitbereitschaft deutlich.
Die Gründung von Alliance ist der Versuch einer Gruppe politikerfahrener Männer, mit neuen Klamotten weiter Politik zu machen. Zugleich verbirgt sich dahinter eine grundsätzliche Umgruppierung der französischen Rechten. Die Vorgespräche haben gezeigt, daß die alten Skrupel, sich selbst rechts zu nennen, völlig verschwunden sind. Im nächsten Schritt, auch das deutet sich bereits an, könnten auch die Skrupel gegenüber den Rechtsextremen fallen. Schon heute sprechen mehrere Alliance-Gründer ausdrücklich von einem Bündnis „aller rechten Parteien“.
Dorothea Hahn
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