Analyse: Theo Waigels Erblast
■ Im Haushaltsplan 1999 verschiebt Waigel wie üblich die Schulden
Die Zeiten von Theo Waigel als oberster Hirte im Bundesfinanziministerium mögen gezählt sein, aber er führt seine Herde dennoch nach Plan. Knapp zwölf Wochen vor der Bundestagswahl berät das Kabinett heute Waigels Haushaltsaufstellung 1999. Die folgt wie üblich dem Credo „Hoffen und warten“. Hoffen auf eine Konsoliderung des wirtschaftlichen Aufschwungs, warten auf niedrigere Arbeitslosenzahlen und höhere Steuereinnahmen. Waigel rechnet mit einem Wirtschaftswachstum von bis zu 3 Prozent und folgert daraus für „1999 und die Folgejahre“, daß die Wirtschaft durchschnittlich um 2,5 Prozent wachsen wird. Mit einer um 100.000 gesunkenen Arbeitslosenzahl auf 4,3 Millionen spricht er bereits von einer sich abzeichnenden „Trendumkehr“. Dies verleitet ihn zu der Annahme, daß zwischen 1999 und 2002 jährlich 200.000 Arbeitslose weniger die Kassen belasten. Die Steuern steigen nach seiner Prognose 1999 um acht Prozent auf 364,8 Milliarden Mark.
Dank diesen positiven Grundüberlegungen kann sich Waigel noch mal als eifriger Sparer profilieren. Die Ausgaben sollen 1999 nur um 0,4 Prozent auf 465,3 Milliarden Mark steigen. Die Neuverschuldung will Waigel ebenfalls von 56,4 auf 56,2 Milliarden verringern. Das Staatsdefizit sinkt somit schon 1999 auf 2 Prozent, die Gesamtverschuldung rechnet Waigel auf unter 60,75 Prozent im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt herunter. Die Investitionsausgaben hat er von 58,1 auf 57,5 Milliarden gesenkt. Daß Japan in einer Rezession steckt, deren Ende nicht absehbar ist, hat sich im Bundesfinanzministerium wohl noch nicht herumgesprochen. Wirtschaftsexperten sehen spätestens ab dem kommenden Jahr die Wellen der Rezession auch die deutsche Wirtschaft erreichen. Wächst die Wirtschaft nur um 0,2 Prozent weniger als prognostiziert, belasten 100.000 zusätzliche Arbeitslose die Kassen mit 4 Milliarden Mark.
Die höheren Steuern in Waigels Plan resultieren in erster Linie aus der angehobenen Mehrwertsteuer. Die muß der Bund aber an die Rentenkassen abführen. Dem Haushalt fehlen damit 13 Milliarden Mark. Zudem steigen die langfristigen Schulden, da Waigel seinen 1997 eingeführten Schattenhaushalt für die Abwicklung der DDR-Altschulden (Erblastentilgungsfonds) nicht bedient. Er zahlt zwar die Zinsen, tilgt aber auch wie 1998 nicht die Schuld von zur Zeit 355 Milliarden Mark. Ebenso setzte Waigel die Tilgung des Bundeseisenbahnvermögens aus. „Er entsorgt so vorübergehend 50 Milliarden Mark“, sagt Oswald Metzger, haushaltspolitischer Sprecher der Bündnisgrünen. Sein Kollege von der SPD, Karl Diller, sieht eine „Erblast der Regierung Kohl“. Die wahren Ausmaße der Waigelschen Verschiebetaktik lassen sich bislang nur erahnen. Ulrike Fokken
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