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AnalyseHerzog im Wahlkampf

■ Spekulationen um zweite Amtszeit: Geht ein Ruck durch Roman Herzog?

Es ist Wahlkampf, und zwar einer von der härteren Sorte, weil Helmut Kohl langsam merkt, daß die Gesetzmäßigkeiten deutscher Politik – eine Partei gewinnt keine Wahlen aus der Opposition heraus – dieses Mal gebrochen werden könnten. Was Kohl in diesen Wochen auch tut – Tiedje hin, Hauser her – es bringt keine Punkte. Niemand kann also ernsthaft überrascht sein, daß jetzt auch noch das Amt des Bundespräsidenten in den Strudel des Wahlkampfs gerät und auf der Ebene von Spekulationen, billigen Dementis und aufgeregten Reaktionen abgehandelt wird.

Roman Herzog ist daran allerdings nicht unschuldig. In der vorigen Woche hat er offensichtlich durchsickern lassen, daß er sich eine zweite Amtszeit durchaus vorstellen könnte. Das ist überraschend. Bisher hat Herzog in noch jedem Interview vehement abgelehnt, im Mai 1999 erneut zu kandidieren, und das, obwohl viele in der Union Roman Herzog gern dazu überredet hätten. „Ich will keine zweite Amtszeit. Ganz einfach“, lautete Herzogs stereotype Absage. Er hat sie mit seinem Alter begründet („Am Ende meiner Amtszeit werde ich 65 Jahre alt sein, da geht der normale Mensch in den Ruhestand“) sowie mit der Tatsache, daß viele seiner Familienmitglieder relativ früh gestorben seien. Ganz nebenbei war ihm auch klar, daß er unter einer möglichen rot-grünen Regierung keine Chance hätte, gewählt zu werden.

Was Herzog jetzt bewogen hat, seine Meinung zu ändern, darüber kann nur spekuliert werden. Vielleicht sieht der konservative Bayer seine Chancen für eine zweite Amtszeit mit einer immer wahrscheinlicher werdenden großen Koalition in Bonn steigen. Schröder und die SPD könnten im Fall des Falles den auch in ihren Reihen geschätzten Herzog wählen, um gegenüber dem Koalitionspartner CDU/CSU bei einer anderen Personalentscheidung bessere Karten zu haben. Dagegen wiederum spricht, daß die SPD bereits klargemacht hat, den nächsten Präsidenten stellen zu wollen. Nach Carstens, von Weizsäcker und Herzog soll endlich wieder ein Sozialdemokrat das höchste Staatsamt ausüben. Außerdem hat die SPD die Niederlage ihres Parteilieblings Johannes Rau, der 1994 Roman Herzog unterlag, noch nicht verschmerzt.

Sicher scheint nur zu sein, daß Herzog im Fall einer großen Koalition für eine zweite Amtszeit zur Verfügung steht. Dafür sprechen die Dementis aus dem Präsidialamt. Es gebe bislang keine Entscheidung Herzogs, ob er sich erneut zur Wahl stellen will, heißt es von dort. Der Bundespräsident selbst werde sich erst nach der Bundestagswahl äußern. Klarer kann die Bewerbung eines Bundespräsidenten kaum ausfallen. Wenn Roman Herzog denn wirklich nicht wollte, dann hätte er es, wie bisher auch, gesagt. Hat er aber nicht. Jens König

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