piwik no script img

Analyse70er-Jahre-Modelle

■ Studie über Parteien im Osten: Viel Tradition, wenig Innovation

Ein Magdeburger Modell auf Bundesebene ist nicht denkbar. So lautet eines der Ergebnisse einer Studie, die Wolfgang Renzsch, Politologe an der Universität Magdeburg, über die Ost-West-Unterschiede im Parteiensystem erstellt hat. Den Grund sieht Rensch in der ablehnenden Haltung der westdeutschen Landesverbände der SPD. Im Osten ist die Partei eher gespalten. Ein Teil, zu dem vor allem die Bundespolitiker zählen, lehnt eine Zusammenarbeit mit der PDS ab. Daß der andere Teil zu einer begrenzten Kooperation auf Landes- und kommunaler Ebene bereit ist, führt Renzsch darauf zurück, daß die Ablösung von SED-Altkadern innerhalb der PDS auf der Landesebene sehr viel weiter fortgeschritten ist als auf Bundesebene.

Gleichwohl steht die PDS „in der unmittelbaren Kontinuität der SED“, der bereits 90 Prozent ihrer heutigen Mitglieder angehörten. Ihr Weltbild ist geprägt von „einer Verklärung der heilen Welt der DDR“. Die politische Position auch der jüngeren PDS-Mitglieder sei vielfach geprägt „von hergebrachten etatistischen Sozialismusvorstellungen. Oftmals neigen sie autoritären Grundhaltungen zu. Ein autoritärer Sozialstaat, der für soziale Gerechtigkeit sorgt, wird einer individualisierten Wettbewerbsgesellschaft vorgezogen. Soziale Sicherheit hat ein höheres Gewicht als individuelle Freiheit oder demokratische Partizipationschancen“.

Diese Einstellungen ähneln zum Teil denen der Ost-SPD. Auch sie „hält mehrheitlich an staatsinterventionistischen Konzepten fest, engagiert sich vorzugsweise für Gleichheit“, schreibt Rentzsch. Verteilungsfragen besitzen oftmals höhere Priorität als Produktionsfragen. Das ist insofern erstaunlich, als die Sozialdemokraten im Osten, anders als im Westen, weniger die Partei der kleinen Leute, sondern vielmehr die Partei des neuen Mittelstandes sind. Dazu zählen im Osten allerdings nicht mittelständische Unternehmen. Deren schwache Ausprägung ist einer der Gründe, die Renzsch für die verschwindende Präsenz der FDP ausmacht. Wie den Liberalen fehlt auch den Grünen eine breitere soziale Basis, „denn es spricht eine eher postmaterialistisch orientierte Wählerklientel und Anhängerschaft an“. Die existiert jedoch kaum.

Eines, so heißt es in der Studie, ist allerdings allen Ost-Parteien gemein. Obwohl in Ostdeutschland die wirtschaftlichen und sozialen Probleme viel drängender sind, „kommen aus den politischen Parteien selten innovative Vorschläge auf die Frage, wie wirtschaftliche Effizienz und sozialer Zusammenhalt der Gesellschaft neu austariert und Belastungen zukünftiger Generationen vermieden werden können. Die diskutierten Strategien erinnern oftmals an Lösungsmodelle der 60er und 70er Jahre“. Dieter Rulff

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen