Analyse: Endlich zu spät
■ Expo-Manager schließen ein Milliardendefizit nicht länger aus
Einen tollen Sommer muß es in zwei Jahren geben, und den 40 Millionen Fans, die den Weg zur Expo 2000 in Hannover finden sollen, muß das Geld lockersitzen: Zu der 69 Mark teuren Eintrittskarte soll jeder Expo-Besucher weitere 50 Mark auf dem 160 Hektar großen Weltausstellungsgelände Hannovers lassen. Auf dieser Annahme hat die Expo-Gesellschaft ihre Kalkulation aufgebaut, die zu „einer schwarzen Null“ führen sollte.
Jetzt ist erstmals in internen Papieren die Rede davon, daß die Weltausstellungsgesellschaft mit einem Defizit von bis zu 385 Millionen abschließen könnte, und hinter vorgehaltener Hand schließen Expo-Manager sogar ein Milliardendefizit nicht aus. Dieser Zuwachs an Realismus und Ehrlichkeit hat einen einfachen Grund: Die Weltausstellung läßt sich nicht mehr absagen – nicht nur wegen des Prestigeverlustes, den die Bundesrepublik dadurch erleiden würde. Auf dem Expo- Gelände wird kräftig gebaut, ein Abbruch der Vorbereitungen wäre inzwischen genauso teuer wie die Durchführung. Die Behauptung, ausgerechnet diese Weltausstellung würde als erste ohne Defizit abschließen, muß nicht weiter aufrechterhalten werden. Der ursprünglich aus dem Jahre 1992 stammende Expo-Finanzplan hat seine Funktion erfüllt. Er hat die Weltausstellung irreversibel auf den Weg gebracht.
Den dicksten Brocken, 1,6 Milliarden Mark, sollten die 40 Millionen Besucher in die Kasse bringen. Inzwischen räumt auch Expo-Finanzchef Reinhard Volk ein, daß man dabei „absolut an der oberen Grenze“ kalkuliert hat. Daneben hapert es auch bei geplanten Sponsoring-Einnahmen, die den zweitgrößten Posten bilden sollen. Von zwölf fest eingeplanten Großsponsoren, die jeweils 20 Millionen Mark zahlen sollen, hat die Expo GmbH erst fünf gewonnen. Wenn das Land Niedersachsen und Expo-Chefin Birgit Breuel jetzt die Erlöse aus dem Expo-Kartenverkauf von der Umsatzsteuer befreien wollen, so soll das nicht nur eine neuen Finanzquelle erschließen. Es beginnt damit auch der Streit um die Abdeckung des Defizits. Bisher finanziert sich die Expo GmbH fast ausschließlich aus einer Bürgschaft, für die der Bund und das Land je zur Hälfte geradestehen. Bevor die Bürgschaft Ende vergangenen Jahres auf jetzt 970 Millionen Mark nahezu verdoppelt wurde, stand die Weltausstellungsgesellschaft vor der Zahlungsunfähigkeit. Wenn sie von den 256 Millionen Mark Umsatzsteuer befreit würde, wäre das ein Zuschuß, den erstmals nicht nur der Bund und Niedersachsen, sondern der Bund und alle Länder an die Weltausstellungsgesellschaft leisten müßten. Am bundesweiten Umsatzsteueraufkommen, das bei einer Steuerbefreiung entsprechend sinken würde, sind alle Länder zur Hälfte, Niedersachsen allein aber nur zu etwa fünf Prozent beteiligt. Jürgen Voges
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen