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AnalyseJustizfall "Mehmet"

■ Über das rechtliche Hickhack im Fall des Münchener Serientäters

Zwar kochen im Fall „Mehmet“ gerade in München die Emotionen hoch – die Rechtslage aber ist, wie das Kreisverwaltungsreferat (KVR) formuliert, „nur mehr schwer durchschaubar“. Verwirrung stifteten zuletzt zwei widersprüchliche Entscheidungen von bayerischen Verwaltungsgerichten. Am 4. September hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) unter Abänderung einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts München entschieden, daß die Ausweisung von „Mehmet“ derzeit nicht vollzogen werden darf. Da „Mehmet“ wegen der von ihm unstreitig begangenen Straftaten bisher nicht rechtskräftig verurteilt ist, dürfe er als Minderjähriger nach dem Ausländergesetz nur ausgewiesen werden, wenn sich seine Eltern nicht (mehr) rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten.

Im Rahmen dieses Verfahrens war also zu prüfen, ob die mit Bescheid vom 29. April 1998 erfolgte Ausweisung der Eltern rechtmäßig sei. Dies wurde vom Senat verneint, weil nur schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ein solches Vorgehen rechtfertigen würden. Das Unvermögen, ein Kind zu einem anständigen Menschen zu erziehen, zähle nicht zu diesen Gründen. „Mehmet“ darf also bleiben? Nein. In einem zweiten Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, das sich auf andere Rechtsnormen des Ausländerrechtes bezieht, hatte „Mehmets“ Anwalt gegen die Nichtverlängerung der Aufenthaltserlaubnis durch die Stadt München Widerspruch eingelegt. Das KVR hatte die Verlängerung der am 21. Juli 1998 ausgelaufenen Aufenthaltsgenehmigung verweigert, weil „Mehmet“ am 3. Juli, nach seinem 14. Geburtstag strafmündig, einen Jugendlichen überfallen und mit einer Zaunlatte verletzt haben soll – deswegen sitzt er jetzt in Untersuchungshaft.

Das Verwaltungsgericht akzeptierte den Widerspruch „Mehmets“ nicht. Bereits die nach dem 22. Juli 1997, dem Tag der erstmaligen Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung, begangenen Straftaten seien ausreichend, um eine Verlängerung abzulehnen. Allein die Gewalttat vom 3. Juli dieses Jahres sei dafür ein ausreichender Grund. Die Richter entschieden zudem, daß die anhängige Klage gegen die Nichtverlängerung der Aufenthaltsgenehmigung keine aufschiebende Wirkung hat – „Mehmet“ könnte also sofort abgeschoben werden, obwohl sein Anwalt auch in dieser Sache Beschwerde beim VGH eingelegt hat. Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) erklärte, München sei zur sofortigen Ausweisung des Jungen entschlossen. Voraussetzung sei, daß der VGH als oberste Instanz bestätige, daß es rechtmäßig sei, die Aufenthaltserlaubnis nicht zu verlängern. Auch Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) will bis dahin mit einer Abschiebung warten. Stefan Kuzmany

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