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AnalyseMenschliche Tragödie

■ Die steigende Zahl von Flüchtlingen aus dem Kosovo zwingt zum Handeln

Die Angst, Kosovo-Flüchtlinge könnten es bis nach Deutschland schaffen, treibt sogar wahlkampfgestreßte Politiker zum Protest. So fordert der deutsche Außenminister Kinkel: „Wichtig ist vor allem, daß die Menschen an ihren Heimatorten bleiben können.“ Das ist richtig, nur: Sie können es eben nicht. Die jüngsten Angriffe der serbischen Sicherheitskräfte auf die Region um die Stadt Peja (Pec) hat erneut Tausende in die Flucht getrieben. Wer das Gelände kennt, weiß, wie hoch die Berge sind, die die Grenze Kosovos zu Montenegro bilden. Welche Tragödien mögen sich in diesen Tagen dort abspielen, wenn Familien mit Kleinkindern diesen Weg nehmen müssen?

Wer kennt die Angst, wenn noch an der Grenze geschossen wird? Die albanische Seite meldet 14 Tote, nachdem die serbischen Soldaten und Polizisten auf die Fliehenden geschossen haben, andere Quellen gehen von zwei Toten aus. Die es am Sonntag schafften, wurden von den montenegrinischen Sicherheitskräften in Empfang genommen. 3.200 Menschen wurden umgehend nach Albanien abgeschoben.

Immerhin, diese Leute sind gerettet. Fast unbemerkt von der Weltöffentlichkeit hat Montenegro schon mehr als 40.000 Flüchtlinge aufgenommen. Sie leben jetzt in den vornehmlich von Albanern bewohnten Gebieten der Grenzregion. Aber: Die Straßen dorthin sind von montenegrinischen Sicherheitskräften gesichert, Straßensperren verbürgen, daß es nur wenige Flüchtlinge bis an die Küste schaffen.

Das amerikanische Hilfswerk Mercy Corps spricht von 450.000 Vertriebenen seit Ende Mai und kommt mit dieser Angabe der Wirklichkeit näher als andere „offizielle“ Stellen. Im Kosovo versuchen viele Flüchtinge unter den erbärmlichsten Umständen zu überleben, Zehntausende in Wäldern, die meisten zusammengepfercht in einem der noch unzerstörten Häuser. Doch auch in Montenegro sind die Flüchtlinge in einer verzweifelten Lage. Denn wie im Kosovo ist die Lebensmittelversorgung auch hier dürftig. Die Hilfsorganisationen sind noch nicht da oder werden in ihrer Arbeit behindert. Eine medizinische Versorgung gibt es für die allermeisten nicht.

Die Vereinten Nationen sprechen zu Recht von einer „großen humanitären Katastrophe“. Es bedarf wohl der Angst vor den Flüchtlingen, um die Politik zu zwingen, endlich aktiver zu werden. Denn die Flüchtlinge werden durch die Politik der Vertreibung der Kosovaren aus ihrer Heimat produziert. Ihre Existenz zwingt zum Handeln – in humanitärer wie auch in politischer Hinsicht. Erich Rathfelder

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