Analyse: Geld für die Reichen
■ Ein Nicht-Thema der IWF-Tagung war der Schuldenerlaß für die Ärmsten
Eine einzige große Frage stand im Mittelpunkt der Jahrestagung von IWF und Weltbank: Wie kann man die großen Finanzkrisen in Asien und Rußland bekämpfen? In Ermangelung anderer Antworten heißt die Lösung bis auf weiteres: mit viel Geld. 22,6 Milliarden US-Dollar sagte der IWF Rußland im Sommer zu, für Brasilien sollen jetzt 30 Milliarden lockergemacht werden.
Darüber geriet eine andere Frage praktisch in Vergessenheit: der vor zwei Jahren öffentlichkeitswirksam beschlossene Schuldenerlaß für die höchstverschuldeten Länder. Zehn Länder hat die IWF- und Weltbankbürokratie überprüft. Erst zwei Länder haben es geschafft, die hohen Hürden für den Erlaß zu überspringen: Uganda kam so in den Genuß von 160 Millionen US-Dollar, Bolivien von 54 Millionen.
Angesichts der Verluste, die die Asien- und Rußlandkrisen für Investoren, ja für ganze Volkswirtschaften in den Industrieländern mit sich bringen, muß man sich darüber nicht wundern. Das Problem von kriegszerstörten Ländern wie Ruanda oder völlig verarmten Ländern wie Nicaragua ist vor allem, daß sie kein Problem für die reichen Länder darstellen. Die Bundesregierung bot bisher keinen Pfennig für die Entschuldungsinitiative.
Ein Entwicklungsland, das in die engere Wahl für einen Schuldenerlaß kommen will, muß mindestens drei Jahre lang detailgenau einem Strukturanpassungsprogramm des IWF gefolgt sein. Rußland hingegen hat trotz der IWF-Auflagen seinen Haushalt nicht saniert, sein Steuersystem nicht reformiert – und trotzdem im Juli 4,8 Milliarden Dollar erhalten, die umgehend in die Stützung des Rubelkurses gesteckt wurden, das heißt in die Taschen von Devisenspekulanten. Uganda auf der anderen Seite zahlt das durch den Schuldenerlaß gesparte Geld in einen Fonds zur Armutsbekämpfung.
Auf der Jahrestagung sollte eigentlich die Entschuldungsinitiative auf den Prüfstand gestellt werden. Schon lange fordern internationale Hilfsorganisationen, allen voran Oxfam, eine Reform der Erlaßinitiative. Bisher werden Schulden von IWF und Weltbank nur dann als nicht „tragfähig“ anerkannt, wenn ihre Summe mehr als doppelt so hoch ist wie die jährlichen Deviseneinnahmen eines Landes durch Exporte. Demnach würde sich ein Land wie Tansania nicht qualifizieren, obwohl ein Viertel der Staatseinnahmen gleich wieder an ausländische Gläubiger überwiesen werden muß.
Die deutsche Organisation WEED hat ausgerechnet, daß bei großzügigerer Anwendung der Entschuldungsinitiative 100 Milliarden Dollar im Verlauf von fünf Jahren nötig wären. Für Indonesien, Thailand und Süd-Korea ist im letzten Jahr im Nu ein 118-Milliarden-Dollar-Paket geschnürt worden. Nicola Liebert
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