Analyse: Zum Glück gezwungen
■ EU macht Ökosteuer ökologisch
Eines hat Bundesfinanzminister Lafontaine gestern in Brüssel erreicht. Der Ökosteuer bleibt ein Debakel erspart. Der EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert habe keine grundsätzlichen Bedenken gegen den Gesetzentwurf, erklärte Lafontaine nach seinem Gespräch mit der EU- Kommission. Klar ist aber: Der Entwurf muß nachgebessert werden. Bislang ist vorgesehen, 27 Branchen, die viel Energie verbrauchen, von der Ökosteuer auszunehmen. Eine indirekte Subvention, denn diese Branchen profitieren von der Senkung der Lohnnebenkosten, die mit der Energiesteuer finanziert werden soll. Das brächte den befreiten Unternehmen eine Nettoentlastung von 110 Millionen Mark im Jahr.
Oskar Lafontaine deutete gestern an, wie die Ökosteuer für die EU genehmigungsfähig werden könnte: vor allem durch eine Verpflichtung dieser Branchen, dafür Geld in Energiesparmaßnahmen zu investieren. Genaueres müsse mit der EU noch abgestimmt werden. Der Einspruch aus Brüssel bewirkt damit keine Blockade des Umweltschutzes, wie allgemein befürchtet. Im Gegenteil: Ausgerechnet van Miert zwingt Bonn zu mehr Umweltschutz.
Denn die Idee, energieintensiven Branchen die Steuer ohne Gegenleistung zu ersparen, hätte ausgerechnet dort Innovationen verhindert, wo viel Energie verbraucht wird. Zwar kann man davon ausgehen, daß Betriebe, die 30 oder 40 Prozent ihrer Produktionskosten in Energie stecken müssen, sparsam damit umgehen. Die Befreiungsgrenze hatte Rot-Grün jedoch schon bei einem Kostenanteil von 6,4 Prozent gezogen. Die SPD hatte gegen den Willen der Grünen auf der vollständigen Befreiung dieser Betriebe beharrt. Daß sie nicht von selbst darauf kam, befreite Betriebe zum Energiesparen zu verpflichten, spricht Bände. Für die SPD ist die Ökosteuer vor allem eine praktische Geldquelle zum Senken der Lohnnebenkosten.
Ein weiterer Beleg dafür ist die Weigerung der SPD, die Doppelbesteuerung von Erdgas aufzuheben, das in der Stromerzeugung eingesetzt wird. Denn für Erdgas muß zusätzlich zur Ökosteuer auch Mineralölsteuer gezahlt werden – ganz im Gegensatz zu Uran und Kohle. Ausgerechnet die Nutzer des umweltfreundlichsten nichterneuerbaren Energieträgers, dem Erdgas, werden also – trotz Ökosteuer – am stärksten zur Kasse gebeten. Die SPD verweigert das aus zwei Gründen: Erstens will sie nicht, daß Erdgas noch billiger gegenüber der von ihr gehätschelten umweltunfreundlichen Kohle wird. Zweitens würde das Steueraufkommen schrumpfen, das unbedingt in die Senkung der Lohnnebenkosten fließen soll. Das allein war der Grund für Umweltminister Jürgen Trittin, statt des Wegfalls der Gasdoppelsteuer eben auch eine doppelte Steuer auf Atomenergie zu fordern. Ein Angebot an die SPD also, daß ihm dennoch nur Prügel als Unruhestifter einbrachte. Matthias Urbach
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