Analyse: Blairs Wunder
■ Steuern runter, Haushaltsüberschuß rauf: Großbritannien weist den Weg
Der Staatshaushalt für 1999, den der britische Finanzminister Gordon Brown am Dienstag abend im Parlament präsentierte, ist eine Wunderpackung. Der Haushaltsüberschuß, den die britische Regierung dieses Jahr zum ersten Mal erwirtschaftete, wird weiter wachsen und höher ausfallen als geplant. Zugleich wird die Steuerlast für Einzelpersonen und Unternehmen dieses Jahr um über 11 Milliarden Mark gesenkt und mit sofortiger Wirkung ein Eingangssteuersatz von zehn Prozent eingeführt. Die Steuerbelastung der typischen Familie, behauptete Brown, werde nächstes Jahr zum ersten Mal seit den 70er Jahren bei unter 20 Prozent ihres Einkommens liegen.
Außerdem werden das Kindergeld und das garantierte Mindesteinkommen für Rentner erhöht, und der staatliche Heizkostenzuschuß für Rentner wird verfünffacht. Zugleich sollen ständige Haushaltsüberschüsse die Staatsverschuldung von 44 Prozent des Bruttosozialprodukts 1997 auf 37 Prozent im Jahre 2001 drücken. Nicht einmal Margaret Thatcher hat solche Verhältnisse herstellen können.
Wie hat New Labour das gemacht? Zum einen erbte sie 1997 eine gesunde Volkswirtschaft, in der ein hohes Wirtschaftswachstum rapide Steigerungen der Steuereinnahmen bescherte. Der Boom von 1995–97 verhalf John Major nicht zum Wahlsieg, aber er machte seinen Nachfolgern die Arbeit leicht. Labour konnte sogar die extrem restriktive mittelfristige Haushaltsplanung der Konservativen für die Jahre 1997–99 nicht nur einhalten, sondern sie sogar unterbieten, so daß jetzt ein Füllhorn von Wohltaten über die Wähler ausgeschüttet werden kann.
Ein zweiter Grund für New Labours Erfolg ist die Moral. Unter Blair werden Steuern härter und prompter eingetrieben als früher, und Wohlfahrtsgelder an Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger werden viel zurückhaltender verteilt. Es steht mehr Geld zur Verfügung – aber die Briten müssen dafür mehr tun. So ist der steile Anstieg der Sozialausgaben, unter den angeblich so rigorosen Tories als Naturgesetz hingenommen, unter Labour gestoppt worden. Und drittens schraubt New Labour die indirekten Steuern, zum Beispiel für Zigaretten und Benzin, weiter kräftig nach oben. Aber daran haben sich die Briten längst gewöhnt.
Mit New Labour scheint Großbritannien in die 50er Jahre zurückzukehren: Es herrscht nahezu Vollbeschäftigung, das Wirtschaftswachstum ist bescheiden, aber beständig, der Staat muß keine Kredite aufnehmen, und die Regierung erwartet von den Bürgern Wohlverhalten als Gegenleistung für Wohltaten. Nach 18 Jahren konservativer Herrschaft mußte die linke Opposition an die Macht kommen, damit endlich wieder etwas so ist wie früher. Dominic Johnson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen