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„An welchem Baum willst du hängen?“

■ Menschenrechtsgruppen haben Massengräber in Chiapas gefunden / Indianer berichten von Folterungen und Exekutionen durch die Armee / Das Verteidigungsministerium dementiert pauschal

Mexiko-Stadt (taz/AP/AFP) – „Am ersten Tag schlugen mich die Soldaten mit ihren Gewehrkolben. Am nächsten Tag brachten sie uns Gefangene in die Berge und sagten: Sucht euch den Baum aus, an dem ihr hängen wollt.“ So schilderte der Bauer Antonio Mendez López, der sechs Tage von der mexikanischen Armee gefangengehalten wurde, wie ihn die Soldaten mißhandelten. Der Indianer vom Volk der Tzeltal und Vater von sieben Kindern war am 6. Januar in dem Bergdorf Chanal von den Soldaten als angeblicher Sympathisant der Zapatisten festgenommen worden. Er habe gefesselt auf der Ladefläche eines Armeelasters gelegen, als er die Soldaten sagen hörte, das nächste, was er zu essen bekomme, werde der alte Mann sein, den sie gerade erschossen hätten.

López gehört zu einer Gruppe von Bauern, die nach Darstellung der Regierung in Mexiko-Stadt Beziehungen zu den Rebellen der Nationalen Zapatistischen Befreiungsarmee Zapata (EZLN) haben, die am 1. Januar den bewaffneten Kampf gegen die Ausbeutung und Unterdrückung der indianischen Bauern aufnahm. López berichtete weiter, die Soldaten hätten ihn unentwegt gedrängt zu sagen, wer die Anführer der Guerilleros seien. Immer wieder habe er ihnen geantwortet: „Ich weiß es nicht.“ Die Soldaten hätten ihn dann vor die Wahl gestellt, erschossen oder zu Tode geprügelt zu werden. Vier Tage sei er mit anderen Gefangenen in dem Armeelager Rancho Nuevo in der Nähe von San Cristóbal de las Casas festgehalten worden. Dort sei er geschlagen und in Tanks mit eiskaltem Wasser gesteckt worden. Zu essen habe er nichts bekommen. Des öfteren seien die Gefangenen auch mit dem Hubschrauber in ein Haus in die Stadt Tuxtla Gutiérrez geflogen worden, wo sie mit Elektroschocks gefoltert worden seien.

Gerichtsmediziner entdeckten am Wochenende in der Nähe der Ortschaft Ocosingo, die ein Schauplatz der heftigsten Kämpfe in Chiapas war, ein Massengrab, in dem offenbar Indios verscharrt wurden. Der Leiter der von der mexikanischen Menschenrechtskommission beauftragten Medizinergruppe, Luis Raúl González, sagte am Samstag, bislang seien sechs Leichen geborgen worden. Aber auf dem Grund der zweieinhalb Meter tiefen Grube lägen noch mindestens drei weitere Tote. Nach Angaben des Gerichtsmediziners steht eine Identifizierung der Opfer noch aus. Mindestens eines von ihnen habe Sandalen getragen, wie sie für die indianischen Bauern der Region typisch seien.

Während eine Delegation von amnesty international am Samstag abend in Mexiko-Stadt eintraf, beschuldigte dort eine Delegation kanadischer Menschenrechtler bereits die Armee, bei der Bekämpfung des Aufstands zahlreiche Indios willkürlich hingerichtet zu haben. So sei ein Bewohner beim Kauf von Tortillas erschossen worden, hieß es in einem Bericht der Gruppe. In einem anderen Fall seien vier Indios aus einem Krankenhaus verschleppt und von Soldaten umgebracht worden. Außerdem wurde die Armee beschuldigt, sie schränke die Bewegungsfreiheit der Bewohner in einigen Gegenden Chiapas' so weit ein, daß dies faktisch dem Belagerungszustand gleichkomme. Der Delegation gehörten unter anderem der Generalsekretär der katholischen Bischofskonferenz Kanadas, James Weisgerber, an.

Das Verteidigungsministerium in Mexiko-Stadt erklärte zu den detaillierten Vorwürfen der Menschenrechtsgruppen, diese seien „nichts als Gerüchte und Unterstellungen“, die einem „sensationalistischen Antrieb“ zu schulden seien. Reportage Seite 11

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