piwik no script img

Amtsgericht bestraft PolizeisanitäterFahrlässiger Polizist

Polizeisanitäter zu Geldstrafe verurteilt. Er hatte den Herzinfarkt eines Abschiebehäftlings ignoriert.

Wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt ist nach Angaben des Flüchtlingsrats ein Polizeisanitäter des Abschiebegewahrsams in Grünau zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt worden. Hintergrund ist ein Vorfall im Mai 2005, als ein aus Algerien stammender Insasse den Sanitäter wegen akuter Herzbeschwerden um ärztliche Hilfe bat. Dieser schickte den Mann aber zurück auf die Zelle.

Obwohl Mithäftlinge durch lautes Rufen und Schläge gegen die Tür Hilfe anforderten, hätten der Sanitäter und weitere Beamten sie ignoriert, hieß es in einem Brief, den erboste Häftlinge damals der taz geschickt hatten. Erst nachdem die Schmerzen auch vier Stunden später nicht nachließen, habe das Wachpersonal medizinische Hilfe geholt. Krankenhausärzte diagnostizierten schließlich einen Herzinfarkt bei dem Algerier.

Der Flüchtlingsrat begrüßte das bereits in der vergangenen Woche vom Amtsgericht Tiergarten ergangene Urteil, kritisierte aber zugleich die Milde der Strafe. "Angesichts der Schwere der gesundheitlichen Schädigung - der Vorfall hätte beinahe zum Tode geführt - mutet es allerdings merkwürdig an, dass der über medizinische Kenntnisse verfügende Polizist nur eine sehr geringe Strafe erhielt, so als handele es sich um einen Ladendiebstahl."

Zudem seien weitere beteiligte Polizisten wie bereits bei einem ähnlichen Vorfall im Jahr 2001 straffrei geblieben. Erneut forderte die Organisation, eine von der Polizei unabhängige medizinische Versorgung in der Abschiebehaft sicherzustellen.

Vor drei Wochen erst war eine fünfköpfige tschetschenische Flüchtlingsfamilie trotz gegenteiliger amtsärztlicher Atteste von einem Polizeisanitäter im Grünauer Abschiebegewahrsam für reisefähig erklärt und nach Polen abgeschoben worden.

Der Algerier lebt nach Angaben des Flüchtlingsrats seit der Entlassung aus dem Krankenhaus in der Asylerstaufnahmestelle an der Motardtstraße in Spandau. Die Flüchtlingsvertreter forderten daher das zuständige Sozialamt Pankow auf, dem Algerier eine seiner Krankheit angemessene Unterbringung zu ermöglichen. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) wurde gebeten, dem Mann ein Bleiberecht aus humanitären Grünen zu gewähren. Schließlich habe das Land Berlin die gesundheitliche Schädigung wohl mit zu verantworten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!