: Ami go home!
■ Termiten aus Nordamerika bedrohen alte Gebäude Von Jörg-Uwe Kerstein
Die gelbfüßige Bodentermite bleibt trotz jahrzehntelanger Integrationsversuche bei uns in Hamburg weiterhin unbeliebt. Das in Fachkreisen als Reticulitermes flavipes bezeichnete Insekt wurde erstmalig 1937 im Stadtteil Hamburg-Neustadt entdeckt.In einem Vortrag am Zoologischen Museum der Uni Hamburg stellte vorgestern Dr. Udo Sellenschlo vom Hygienischen Institut der Freien und Hansestadt Hamburg den Eindringling einem interessierten Publikum vor.
Das wenige Millimeter große Tier wurde vermutlich mit berindetem Balastholz aus Nordamerika eingeschleppt. Ausschließliche Nahrung dieser kleinen Viecher ist Holz.Wurden die Fraßschäden an Gebäuden in den 40er Jahren noch durch Bombenschäden überdeckt, trat der Sechsfüßler 1952 sogar kurzzeitig in Altona auf. Nach erfolgreicher Ausrottung in Hamburgs Westen schlug das Tier schon Ende der 60er Jahre im Bezirk Hamburg-Neustadt wieder mit seiner subversiven Tätigkeit unbarmherzig zurück. Zwischen 1977 und 1978 machte es sich im Strafjustizgebäude und im Oberlandesgericht in der Nähe des Fernsehturms zu schaffen: an Fensterrahmen, Holzfußböden und Wandverkleidungen, auch Fußbodenleisten mußten dran glauben. Ende der 80er Jahre gelang dem Holzfresser sogar der Einbruch in das Abendgymnasium am Holstenglacis.
Dort vergriff es sich auch erstmals an lebendem Material: Bohrgänge in Linden und Kastanien rund um die Schule stammten nicht etwa vom Borkenkäfer, sondern von der lichtscheuen, weil sonnenempfindlichen Termite. Am Oberlandesgericht mußten dann in Folge der Fraßschäden auch Pappeln weichen.
Die Chancen, den Einwanderer wieder los zu werden, sind sehr gering. Entlang von Fernwärmeleitungen kann das wärmebedüftige Tier die kalten Winter wohlbehütet überstehen. Der Einsatz von Insektiziden blieb bisher ohne großen Erfolg. Neben Larven, Nymphen, Arbeitern, Soldaten und Geschlechtstieren kommen Ersatzgeschlechtstiere vor. Fallen die für Nachwuchs sorgenden Geschlechtstiere einer Abschiebung zum Opfer, treten an ihre Stelle die Ersatzgeschlechtstiere. Somit ist der Weiterbestand der Termitenfamilie auf Dauer gesichert. Bisher, so Dr. Sellenschlo, wurde eine Invasion der Termiten nur durch das Fehlen schwärmender Tiere verhindert. Sollten sie auftreten, könnten bisherige Barrikaden wie breite Straßen leicht überwunden werden und sich ein Strom von Neuansiedlern über weitere Stadtteile ergießen. Auch der Hamburger Hafen spielt wie in den 30er Jahren als Einfallsschneise eine wichtige Rolle: 1992 kamen per Frachter indonesische Termiten nach Hamburg. Diese konnten allerdings nicht mehr auf Heimreise geschickt werden. Die hohen Temperaturen in den Containern hatte ihnen den Garaus gemacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen