American Pie: Großes Kuscheln bei den Cowboys
FootballVor den Play-offs verzücken die Dallas Cowboys mit einem Rührstück. Dak Prescott der neue Superstar und Tony Romo spielen die Hauptrollen
Der eine steht auf dem Platz und narrt Verteidiger, der andere steht beschäftigungslos an der Seitenlinie. Der eine ist das strahlende neue Gesicht des Klubs, der andere nur mehr ein Auslaufmodell. Vor allem aber ist der eine das, was der andere vor nicht langer Zeit einmal selbst war: das Versprechen, die Dallas Cowboys in eine glorreiche Zukunft zu führen.
Bevor in der NFL am Wochenende die Play-offs beginnen, läuft die Hype-Maschinerie der umsatzstärksten Sportorganisation der Welt auf Höchsttouren. Und den PR-Strategen hätte nichts Besseres passieren können als die Wiederauferstehung der Dallas Cowboys, der landesweit bekanntesten NFL-Mannschaft. Zudem, da diese Geschichte auch noch gewürzt wird vom wundersamen Aufstieg des 23-jährigen Dak Prescott zum neuen Superstar auf Kosten des gefallenen Helden Tony Romo. Ein Melodram mit großen Gefühlen von Loyalität und Aufopferungsbereitschaft bis zu Großmut und Missgunst.
Begonnen hatte diese Saga mit shakespeare’schen Ausmaßen im August. In einem Vorbereitungsspiel handelte sich Romo, langjähriger Quarterback und Aushängeschild der Cowboys, einen schwere Verletzung an der Wirbelsäule zu. Statt Romo spielte der vollkommen unerfahrene Dak Prescott, der nach guten Leistungen als College-Quarterback eigentlich behutsam ins Profigeschäft eingeführt werden und so der Plan, in zwei, drei Jahren Romo beerben sollte.
Der Liga-Neuling spielte wie ein Alter und führte die Cowboys von Sieg zu Sieg. Prescott wurde der neue Star eines Klubs, der, was Selbstverständnis, Status und Festgeldkonto angeht, das Bayern München der NFL ist, sportlich zuletzt aber eher wie Bayer Leverkusen agierte. Seit 1995 wartet Jerry Jones, der milliardenschwere und als ungeduldig bekannte Besitzer der Cowboys, auf einen Super-Bowl-Sieg.
Doch während Prescott alle Erwartungen übertraf, kurierte Romo seine Verletzung aus. Und als der 36 Jahre alte Quarterback wieder fit war, begann die Spekulation in den Medien. Darf Prescott weiter spielen? Oder sorgt Jerry Jones, ein bekennender Romo-Fan, dafür, dass Romo seinen Platz wieder bekommt? Gerüchte wurden lanciert. Romo sei unzufrieden und intrigiere gegen die jugendliche Konkurrenz. Die Mannschaft sei gespalten, die Teamchemie in Gefahr. Kein Tag verging ohne neue Wasserstandsmeldungen bis schließlich Romo eine Pressekonferenz ansetzte, die wohl als bestbesuchte eines Ersatzspielers in die Sportgeschichte eingehen dürfte. Romo verkündete uneingeschränkte Unterstützung für seinen Nachfolger, gab zu, dass es nicht einfach für ihn ist, bloß auf der Bank zu sitzen, und verdrückte noch eine halbe Träne.
Danach war großes Kuscheln angesagt. „Ich war schon immer ein Fan von Tony. Ich bin stolz auf ihn“, ließ Prescott wissen. Herzerwärmende Geschichten füllten die Sportseiten. Es wurden Lobeshymnen auf den loyalen, großmütigen und untadeligen Sportsmann Romo formuliert. Eine erstaunliche Wandlung, wurde Romo doch spätestens seit einer Liaison mit dem Popsternchen Jessica Simpson vor einigen Jahren bisweilen eine mangelnde Berufsauffassung nachgesagt, seine Verletzungsanfälligkeit ebenso kritisiert wie seine flatternden Nerven in wichtigen Spielen. Nun wurde stattdessen ausgiebig auf die historische Parallele hingewiesen: Auch Romo profitierte vor genau zehn Jahren davon, dass sich der damalige Quarterback-Star Drew Bledsoe verletzte. Eine Parallele, die Romo selbst nicht übersehen konnte: „Es ist mir klar, dass ich einmal dieses Kid war.“
Seit Romos Erklärung herrscht Ruhe in Dallas. Aber nun, da sich die Cowboys eine hervorragende Ausgangsposition für die K.O.-Runden gesichert haben, steht Romo bereit, notfalls Prescott zu ersetzen, sollte der sich verletzten. Es wäre eine weitere unerwartete Wendung in einer besonderen Geschichte, die bereits jetzt nach einer Verfilmung zu rufen scheint. Thomas Winkler
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