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American PieSchuld und Häme

US-Schwimmstar Ryan Lochte wird erst zur Witzfigur – und verliert nun Sponsor um Sponsor

Endlich wieder aufeinanderkrachende Helme und knackende Knochen. Endlich richtiger Sport. Am kommenden Freitag beginnt die Saison im College Football, und in Amerika haben sie die Olympischen Spiele schon fast wieder vergessen. Immerhin stellte man noch fest, dass die USA seit 32 Jahren nicht mehr so viele Medaillen gewonnen hatte wie nun. Ansonsten aber ist Rio vorbei. Wäre da nicht Ryan Lochte.

Das interessiert die Amerikaner dann doch: Die Saga vom hochdekorierten Schwimmstar, der mit drei Kollegen besoffen eine Tankstelle demoliert, zur Vertuschung einen Überfall erfindet, aus Brasilien flüchtet, bevor seine Saufkumpane verhaftet werden, und zu Hause, nachdem sein Lügengebäude eingestürzt ist, windelweiche Entschuldigungen abliefert. Er habe einen „dummen Fehler“ gemacht und bei der Schilderung der Ereignisse „über-übertrieben“.

Lochte ist zwar zur Witzfigur geworden, aber bislang von Konsequenzen verschont geblieben. Nun ist er auch noch eine Witzfigur ohne Sponsoren. Den Anfang machte Speedo. Man werde Lochte kündigen, teilte der Badehosenhersteller mit, weil sein Verhalten „den Werten unserer Marke widerspricht“. 50.000 Dollar des eingesparten Geldes werde man stattdessen der Hilfsorganisation Save The Children spenden. Auch das Modeunternehmen Ralph Lauren will seinen Vertrag mit dem sechsmaligen Goldmedaillengewinner auflösen. Weil auch der Matratzenhersteller Airweave und Syneron-Candela, die ihr Geld mit Haarentfernung und Faltenbekämpfung verdienen, den Rückzug ankündigten, steht der 18-malige Weltmeister nun gänzlich ohne Sponsoren da. So schnell verabschieden sich Sponsoren sonst nur, wenn ein Sportler des Dopings überführt wird. Zuletzt verlor Maria Scharapowa wegen einer Doping­sperre einen Großteil ihrer Werbeverträge. Der Schlägerhersteller Head allerdings unterstützt die russische Tennisspielerin weiterhin.

Die Posse um die vier Leistungsschwimmer hatte während der Spiele vor allem im Olympiagastgeberland für Aufregung gesorgt, weil sie brasilianische Vorurteile über arrogante Amerikaner bestätigte. Der 32-jährige Lochte war zusammen mit den sehr viel jüngeren Jimmy Feigen, Gunnar Bentz und Jack Conger, allesamt Goldgewinner von Rio, im Taxi unterwegs. An einer Tankstelle traten sie die Toilettentür ein, nachdem sie zu besoffen gewesen waren, um sie zu öffnen, randalierten und urinierten an die Wände. Anschließend bestachen sie die Securitykräfte, sie gehen zu lassen, ohne die Polizei zu rufen. Als der Vorfall bekannt wurde, behaupteten die vier Schwimmer, von als Polizisten verkleideten Räubern mit vorgehaltener Waffe überfallen worden zu sein, verstrickten sich aber schnell in Widersprüche.

Muss bald in der taz nicht mehr verpixelt werden: Ryan Lochte Foto: ap

Lochte war als Erster des Quartetts aus Brasilien geflohen. Zu Hause in den USA erwartete ihn die Häme der Öffentlichkeit. „Der hässliche Amerikaner“ titelte die New York Post über dem Bild eines halbnackt posierenden Lochte. Und schrieb, der Sportler sei „alles, was die Welt an Amerikanern hasst“. Kolumnisten diagnostizierten die Intelligenz einer Glocke.

Tatsächlich gilt Lochte nicht eben als allerhellste Kerze im Leuchter. Spätestens seit 2013 ist das Image des nach Michael Phelps erfolgreichsten Schwimmers der vergangenen Jahre zumindest angekratzt. Die damals gesendete Reality-Fernsehserie „What Would Ryan Lochte Do?“ wurde zwar nach nur einer Staffel wieder aus dem Programm genommen, offenbart im Nachhinein aber prophetische Qualitäten. Während eines Ausflugs zum Lincoln Memorial in Washington gesteht Lochte seiner Mutter, dass er der erste Mensch sein möchte, der in das riesige Wasserbecken vor dem Denkmal pinkelt. Man hätte es also wissen können. Thomas Winkler

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