American Pie: Der göttliche "Godzingis"
BASKETBALL Der 20-jährige Lette Kristaps Porzingis ist die Entdeckung in der NBA. Dabei zeigten sich Fans der New York Knicks bei seiner Verpflichtung noch enttäuscht
Die knallorange Brille leuchtete im Scheinwerferlicht. Auffälliger war nur das sehr, sehr breite Grinsen, das Spike Lee aufgesetzt hatte in der Late Night Show von Jimmy Fallon. Der Regisseur ist wohl der bekannteste Fan der New York Knicks. „Der Junge kann was“, sagte der 58-Jährige beglückt. Gründe zur Freude hatten die chronisch schwachen Knicks in den vergangenen Jahren eher nicht geliefert
Der so gefeierte „Junge“ heißt Kristaps Porzingis – der 20-jährige Lette spielt sein erstes Jahr in der NBA und ist die Entdeckung nicht nur der Knicks, sondern ligaweit. Am Montag noch glänzte Porzingis mit 20 Punkten und 14 Rebounds in Miami. Dass das Spiel 78:95 verloren ging, geriet da in den Hintergrund. Erst vor wenigen Tagen lieferte Porzingis bei den Houston Rockets mit 24 Punkten, 14 Rebounds und 7 Blocks ein erstes echtes Gesellenstück ab – der letzte Akteur der langen NBA-Historie, dem mit 20 Jahren ähnliche Werte in einem Spiel gelangen, war der große Shaquille O’Neal in der Saison 1992/93. „Und er hat keine Angst vor den ‚Brothers‘“, schwärmte Lee scherzhaft vom Einsatz des eher schmächtigen 2,21-Meter-Manns unter seinen durchtrainierten afroamerikanischen Gegenspielern.
„Mit ihm haben wir so viele neue Optionen,“ sagt Knicks-Coach Derek Fisher. „Wenn er sich an beiden Enden des Spielfelds richtig entwickelt, sind die Möglichkeiten grenzenlos.“ Auch Dirk Nowitzki zeigte sich aus der texanischen Ferne beeindruckt: „Kristaps muss man ernst nehmen.“
Vergleiche mit dem deutschen Star der Dallas Mavericks werden häufiger herangezogen – spielen doch beide mit Center-Maßen dank großer Agilität auf der Power-Forward-Position, beide sind stark beim 3-Punkte-Wurf. Einzig: Porzingis gilt bereits jetzt als der bessere Verteidiger – von jeher eine Schwäche von Nowitzki. Beim Gala-Auftritt in Houston wurde Rockets-Grande James Harden in den entscheidenden Schlussminuten gleich zweimal von Porzingis geblockt. Zwar hakt es auch noch an vielen Stellen – besonders bei der generell schwachen Wurfquote –, doch die Fans der erwartungsfreudigen Basketball-Hochburg am Hudson River sind längst überzeugt von ihrem neuen Liebling. Bereits jetzt wird über einen passenden Spitznamen für den Flügelspieler diskutiert; die mehr oder weniger bizarren Vorschläge reichen vom ungeheuerlichen „Porzilla“ bis zum göttlichen „Godzingis“.Dabei wurde Porzingis noch beim NBA Draft im Juni von den New Yorker Fans gnadenlos ausgebuht. Bei der alljährlichen Talentauswahl der vielversprechendsten jungen Spieler der US-Unis und dem Rest der Welt dürfen die in der abgelaufenen Saison schlechtesten Teams zuerst wählen. Die New Yorker hatten gerade 65 von 82 Saisonspielen verloren, die schlechteste Saison der langen Klubgeschichte – und sollten doch bitte einen der großen College-Stars verpflichten, in der Hoffnung auf eine glorreiche Zukunft. Doch Team-Präsident Phil Jackson und Manager Steve Mills wählten an vierter Stelle den in Fankreisen unbekannten Porzingis vom spanischen Klub Baloncesto Sevilla. Fernsehkameras fingen wutschnaubende Erwachsene und weinende Kinder in Knicks-Trikots im Publikumsbereich der Veranstaltung ein.
15 Saisonspiele später sind alle Zweifel verflogen. Zwar sind die Knicks noch lange nicht wieder ein Top-Team, doch mit Porzingis scheinen die Aussichten rosig. David-Emanuel Digili
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