American Pie: Europa übernimmt
■ Wayne Gretzkys Abschied markiert das Ende der kanadischen Ära in der NHL
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Das Ende von Wayne Gretzkys Karriere kam abrupt. Nach 1.22 Minuten der Verlängerung hämmerte Jaromir Jagr am Sonntag den Puck zum 2:1-Sieg der Pittsburgh Penguins gegen die New Yorker Rangers in die Maschen und sorgte für erschreckte Stille im Madison Square Garden. Alle hatten gehofft, daß Gretzky in seinem letzten Match den Schlußpunkt setzen würde – offenbar auch Jagr, der ab morgen mit seinen Penguins in den Play-offs spielt, während sich die Rangers in die Ferien begeben. „Das habe ich nicht gewollt“, sagte der Tscheche kleinlaut zum 38jährigen Kanadier, doch sein Siegtreffer spiegelte die Situation in der NHL perfekt wider.
Längst war „The Great One“ hier nicht mehr der Größte, und jenen Topscorer-Titel, den Gretzky einst elfmal gewonnen hatte, holte sich mit 127 Punkten (44 Tore, 83 Assists) zum dritten Mal – Jaromir Jagr. Torschützenkönig wurde der Finne
Wayne Gretzky nach seinem letzten Spiel Foto: Reuters
Teemu Selanne mit 47 Treffern. Werte, die symptomatisch für die Liga sind. Zum einen als Beleg für die fortschreitenden Europäisierung – sechs der zehn besten Scorer stammen von dort –, zum anderen zeigen sie den Bedeutungsverlust des individuellen Faktors. Zum ersten Mal seit 1970 gab es keinen Spieler, der 50 Tore schaffte, Gretzky hatte 1981/82 allein 92 Mal für die Edmonton Oilers getroffen.
Nicht mehr die Superstars bringen den Erfolg, sondern solide Defense und effektives Zusammenspiel. Gretzkys Beispiel und die zahllosen Tschechen, Russen und Skandinavier haben dafür gesorgt, daß der brachiale kanadische Stil mit seinen Einzelaktionen durch filigranes Kombinationshockey infiltriert wurde. Während der ätherische Gretzky mit seinen grazilen Aktionen einst wie ein Fremdkörper in der amerikanischen Eishockeyszene wirkte, ist es heutzutage selbst für den wüstesten Rüpel aus den Northwest Territories nicht mehr ehrenrührig, den Puck stoppen zu können. Typisch, daß mit Jagr der beste Spieler der Liga ein Akteur ist, der die Robustheit eines Eric Lindros mit der technischen Brillanz eines Gretzky vereint. „Es ist viel die Rede davon, die Fackel weiterzugeben. Jagr hat sie geschnappt“, lobt auch Gretzky. Aber auch Jagr ist kein Spieler, der die Liga so beherrscht wie es einst Gretzky, Mario Lemieux oder Gordie Howe taten, geschweige denn, seine Mannschaft zum beherrschenden Team werden läßt. Dies war Gretzky vor allem in Edmonton gelungen, wo er vier Stanley Cups gewann, aber auch die Los Angeles Kings führte er 1993 noch einmal ins Finale, das gegen Montreal verlorenging.
Danach war Gretzkys Magie verbraucht. Die New York Rangers verpaßten zuletzt zweimal die Play-offs, und der Weg zum ersehnten Olympiasieg endete für sein kanadisches Team 1998 in Nagano mit der Halbfinal- Niederlage gegen Tschechien. In seiner letzten Saison schoß Gretzky nur noch neun Tore. Grund genug aufzuhören, auch wenn ihm Ehefrau, Freunde und die „One more year“ skandierenden Fans zum Weitermachen überreden wollten. Als Trost bleibt ihm die Gewißheit, daß wohl niemand jemals seinen Rekord von 1.072 Toren brechen wird und ein Klospruch in Atlanta, Georgia. „Jesus saves“ steht dort, und im Geiste eines alte Satzes über „Stan“ Libuda hat jemand hinzugefügt: „But Gretzky scored on the rebound.“ Matti Lieske
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