American Pie: Der wilde Tanz
■ Eine Woche vor Ende der Hauptrunde in der Basketball-Liga NBA ist fast alles offen
This will be the day that I die
Allen Iverson bringt die Sache auf den Punkt: „Das ist das Großartige daran, in der Eastern Conference zu spielen“, sagt der Guard der Philadelphia 76ers, „wir sind jetzt Fünfter, aber wenn wir ein Spiel verlieren, können wir auf den achten Platz rutschen, und wenn wir zwei verlieren, werden wir Elfter oder so.“ Man darf davon ausgehen, daß es Iverson, der sich mit Shaquille O'Neal ein heißes Rennen um den besten Punkteschnitt in der Basketball- Liga NBA liefert, nicht sonderlich großartig fände, wenn die 76ers tatsächlich auf Rang elf landen, aber ansonsten hat er die Situation nicht nur im Osten bestens charakterisiert. Eine Woche vor Ende des Saisontorsos mit nur 50 Spielen für jeden Klub haben erst acht Teams – Miami, Indiana, Orlando im Osten; Utah, Portland, San Antonio, Houston und die L.A. Lakers im Westen – die Runde der besten 16 erreicht. Für den Rest zählt in den nächsten Tagen jeder Sieg und jede Niederlage sozusagen dreifach.
Im Jahr eins nach Michael Jordan und dem zermürbenden Arbeitskampf gab es einen äußerst erratischen Saisonverlauf, der NBA-Commissioner David Stern geradezu fröhlich stimmt. Statt der erwarteten Jordan-losen Öde mit leeren Hallen und miesen TV-Quoten sorgen der wilde Tanz um die Playoffs und die völlige Unvorhersagbarkeit des kommenden Champions für immenses Interesse an der Liga und geballten Optimismus bei Stern. „Das nächste Jahr wird ein großes Jahr der NBA“, prophezeite dieser kürzlich bei einer Stippvisite in München.
Auch wenn Portland, San Antonio, Indiana und Utah insgesamt den stabilsten Eindruck machten, ist nach dem rapiden Absturz der Chicago Bulls auf den letzten Platz der Eastern Conference keine Mannschaft wirklich Titelfavorit. Bestes Beispiel, wie schnell eine vermeintliche Übermacht bröckelt, sind die letzten schwachen Spiele der Utah Jazz, die am Montag eine derbe 85:99-Heimniederlage gegen die Phoenix Suns kassierten. Auf der anderen Seite des Kontinents meldeten sich dafür plötzlich die New York Knicks zurück, die drauf und dran schienen, das erste Mal seit zwölf Jahren die Playoffs zu verpassen. Mit Siegen in Miami und bei den Charlotte Hornets, die zuvor mit den von den Lakers gekommenen Neuzugängen Eddie Jones und Elden Campbell eine furiose Aufholjagd absolviert hatten, kletterten sie auf Platz acht – ohne ihr verletztes Denkmal Pat Ewing im übrigen, den viele schon vorher als Hemmschuh identifiziert hatten.
Während Überraschungsteams wie Sacramento mit dem diesjährigen Rebound-König Chris Webber, Toronto mit Super-Rookie Vince Carter, Philadelphia oder Golden State weiter am Playoff-Tor kratzen, hat ein großes Team des vergangenen Jahrzehnts nur noch winzige Aussichten, ab der nächsten Woche weiter dabeizusein: Detlef Schrempfs Seattle SuperSonics. Obwohl ein gewisser Don MacLean als Vin-Baker- Ersatz zuletzt groß aufspielte, rutschten die wechselhaften Sonics im Westen auf Rang neun ab. „Wenn jemand weiß, was mit diesem Team los ist, lasse er es mich wissen“, meinte kürzlich Coach Paul Westphal. Ein Satz, der gut und gern für die ganze Liga paßt. Matti
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