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American PieNoch ein weiter Weg

■ Alltäglicher Rassismus im Baseball: Nur weiße Trainer für die weiße Mittelschicht

Well I know that you're in love with him

1947 durchbrach Jackie Robinson die Rassenschranken im Baseball und wurde der erste Afroamerikaner, der in diesem Jahrhundert in den Major Leagues spielte. 25 Jahre später feierte Baseball das Ende der Apartheid, aber Robinson boykottierte alle Jubelveranstaltungen, um so gegen die Einstellungspraxis der Clubs zu protestieren. Im letzten Interview vor seinem Tod 1972 sagte der 53-Jährige: „Ich möchte noch den ersten schwarzen Cheftrainer erleben.“ Er starb drei Jahre zu früh.

Über ein halbes Jahrhundert nach Robinsons erster Saison als First Baseman der Brooklyn Dodgers ist fast alles beim Alten. Während ungefähr 40 Prozent der Spieler Schwarze oder Latinos sind, gab es in der letzten Saison genau einen hispanischen und zwei schwarze Cheftrainer. Kein einziges der 30 Teams der Major Leagues Baseball (MLB) wurde von einem nicht weißen General Manager (GM) geführt.

In diesem Winter waren so viele Positionen als Chefcoach oder Manager neu zu besetzen wie selten zuvor. Von den sieben Trainerposten gingen nur zwei an Angehörige von Minderheiten: Don Baylor (Chicago Cubs) und Davey Lopes (Milwaukee Brewers). Beide waren ohne Zweifel auch die besten aller Kandidaten. Dennoch war Lopes zuvor siebenmal abgelehnt worden.

Von den fünf freien Managerstellen ging wieder mal keine einzige an die so genannten minorities. „Ich bin mir sicher, meine Vater würde heute dasselbe denken wie vor 25 Jahren“, sagte Robinsons Tochter Sharon, „zwar haben wir sehr viele Farbige auf dem Spielfeld, aber immer noch viel zu wenige im Management.“

Der latente Rassismus kommt zum Tragen, weil Vetternwirtschaft und das Buddy-System immer noch bestens intakt sind. Während der Großteil der wenigen schwarzen Trainer bei Erfolglosigkeit nie wieder einen neuen Job bekam, werden weiße Kandidaten (ähnlich Fußballtrainern hierzulande wie Jörg Berger oder Friedel Rausch) immer wieder fröhlich recycelt. „Eine Menge Weiße sind lausige Trainer, aber sie kriegen immer wieder Jobs“, sagt der Afroamerikaner Dave Stewart, Assistent des GM in Toronto, „und wir sind immer noch da, wo wir immer waren. Ein echter Fortschritt wäre es erst, wenn Minderheiten auch in Positionen sitzen, in denen Personalentscheidungen getroffen werden.“

Dabei hatte MLB-Commissioner Bud Selig verfügt, dass die Clubs Minority-Kandidaten zu Vorstellungsgesprächen einladen müssen. In der Praxis war diese Vorschrift indes eher kontraproduktiv. So wurde Stewart, trotz 27-jähriger Erfahrung als Spieler, Trainer und im Management, nach allen Gesprächen immer abgelehnt: „Ich glaube, nicht jedes Vorstellungsgespräch ist ernst gemeint. Und wenn man zu oft eingeladen wird und den Job nicht bekommt, sieht es so aus, als sei man nicht qualifiziert.“

Das Problem ist grundsätzlicher: Der durchschnittliche Baseballfan ist weiß und konservativ. Nur sieben Prozent der Zuschauer sind Schwarze. Noch heute bekommen Manager rassistische Drohbriefe, wenn sie einen schwarzen Spieler kaufen und dafür einen weißen abgeben. Und nun verliert Baseball auch noch seinen höchsten schwarzen Offiziellen. Leonard Coleman, Präsident der National League, hört aus Altersgründen auf. Frustriert meinte er: „Baseball hat noch einen weiten Weg zu gehen.“ Thomas Winkler

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