Amateurfußball in der Krise: Die toten Ligen
Immer mehr Amateurvereine wollen nicht aufsteigen. Zu teuer ist mittlerweile der Sprung ins Profigeschäft. Schon einen Etat für die fünfte Liga können viele Klubs nicht stemmen.
BERLIN tazDer FC Schönberg 95 hat am vergangenen Wochenende den Meistertitel der Verbandsliga Mecklenburg-Vorpommern errungen. Doch ein gewöhnlicher Titelträger ist der norddeutsche Fußballklub nicht, denn er verweigert das Aufstiegsrecht. Das Privileg der Fußballmeister ist es, in die nächsthöhere Spielklasse aufzusteigen. Von der Verbandsliga in die Oberliga, von der Oberliga in die Regionalliga, bis hinauf in die erste Bundesliga. Es treibt die Vereine immer weiter. Doch in den Niederungen des Amateurfußballs lassen sich nicht mehr alle Klubs treiben.
Der FC Schönberg ist nicht der einzige Verein, dem das Aufsteigen widerstrebt. Der Oranienburger FC und die TuS Kleefeld wollen ebenfalls nicht in die Oberliga, die fünfthöchste Spielklasse, aufsteigen. Aus Bremen will gleich gar kein Klub in die Regionalliga, in Schleswig-Holstein einzig und allein Holstein Kiel II - die Liste ließe sich weiter fortführen. Die Regionalligisten FSV Oggersheim und Viktoria Aschaffenburg haben ihren Lizenzantrag zurückgezogen. Und auch in der neu eingeführten dritten Liga gibt es einen Verein, der aus eigenem Bestreben absteigt: Kickers Emden. Er startet in der neuen Saison ebenfalls in der fünften Liga.
Zu Beginn dieser Spielzeit nahm die Dritte Liga unter dem Dach des DFB ihren Spielbetrieb auf. Das ehrgeizige Projekt, eine dritte Profiliga in Deutschland zu installieren, bringt viele Vereine bis hinunter in die sechste Liga in die Bedrouille. "Zwischen der dritten Liga auf der einen Seite und den Regional- und Oberligen auf der anderen ist ein Vakuum entstanden", bringt Uwe Blaumann, Präsident des FC Schönberg, die Misere auf den Punkt. Für seinen Verein strahlt die Ober- und selbst die Regionalliga keine Attraktivität aus.
Der Zuschauerschnitt in Schönberg lag in der vergangenen Saison bei 150 bis 200 pro Spiel. Da es aber in der Oberliga keine Fernsehvermarktung gibt, sind die Eintrittsgelder, neben den Sponsorengeldern und Mitgliedsbeiträgen, die einzige Einnahmequelle. Der Saisonetat eines Oberligisten wie Schönberg beläuft sich auf 200.000 Euro. Mit einem Zuschauerschnitt von wenigen hundert pro Heimspiel, tun sich da die Oranienburger schwer. Jürgen Peter, Präsident des FC, sagt: "Natürlich würden wir grundsätzlich gerne Ober- oder auch Regionalliga spielen. Die Oberliga bietet uns aber ganz einfach kein Plus an Attraktivität." In der Brandenburgliga spielt der Verein wenigstens das ein oder andere Derby. Außerdem halten sich die Reisekosten in Grenzen. Das neue Trainingsgelände, Kabinentrakte und eine Flutlichtanlage zeugen davon, dass auch die Oranienburger durchaus viel investiert haben. Mehr jedoch scheint nicht möglich zu sein.
Der TuS Kleefeld, aus der Bezirksoberliga Hannover, kennt diese Probleme. Der stellvertretende Vereinsvorsitzende Christian Resesch spitzt die Lage auf die Formel "der Amateurfußball ist tot" zu. Aus seiner Sicht wird in der Oberliga bereits unter Profibedingungen gespielt. Bereits in der fünften Spielklasse stellt der Spielbetrieb große Anforderungen. Die Reisekosten steigen, der Trainingsaufwand wird höher. Wer keinen potenten Einzelsponsor auftreiben kann, wird sich schwertun, einen Etat in der notwendigen Höhe von 500.000 Euro abzusichern.
Bei Schönberg, in Oranienburg und bei der TuS Kleefeld sind Spieler, Trainer und Vereinsfunktionäre allesamt berufstätig. Neben den wochenendlichen Spielen drei- bis fünfmal zu trainieren, ist schlichtweg nicht möglich. Man weiß, dass die Reichweite der Liga größer wird, je weiter oben ein Verein spielt. Derzeit ist Rostock mit knapp 97 Kilometern der am weitesten entfernte Spielort. In der Oberliga Nordost, wo allein sechs Vereine aus Berlin gespielt haben, würden etliche Kilometer dazukommen.
Noch weiter nach oben will man gar nicht erst. Kleefeld-Vize Resesch schätzt: "Mit einem Etat unter 1,5 Millionen Euro kann man nicht Regionalliga spielen." Da bleiben sie lieber Amateure.
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