: Am Ende muß der Patient die Rechnung zahlen
■ Bundesgesundheitsminister Seehofer will im kommenden Jahr die Beiträge zur Krankenkasse senken – die Kassen kündigen dagegen jetzt schon eine Erhöhung an
Frankfurt/Main (AP) – Die Mehrzahl der Versicherten muß im nächsten Jahr voraussichtlich tiefer in die Tasche greifen. Nach einer AP-Umfrage plant die Mehrheit der gesetzlichen Krankenkassen gegen den Willen von Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer, ihre Beitragssätze um bis zu ein Prozent zu erhöhen. Seehofer hatte bereits dieses Jahr den Kassen verboten, ihre Beiträge zu erhöhen. Der Minister will verhindern, daß die Kassen die geplante Absenkung im nächsten Jahr durch vorherige Anhebungen wirkungslos machen.
Angesichts der Finanznot werde Seehofer die geplante gesetzliche Beitragsfixierung nicht durchsetzen können, lautete der Tenor. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen rechnen im nächsten Jahr mit einer durchschnittlichen Erhöhung um 0,8 bis einen Prozentpunkt. Nach Einschätzung des Vorstandsmitglieds der Deutschen Angestellten-Krankenkasse, Eckhard Schupeta, ist eine Erhöhung der Beiträge unausweichlich. Trotz des Beitragsentlastungsgesetzes von Seehofer „sind wir am Ende des Jahres weitgehend blank“. Die DAK hält die von Seehofer verordneten Leistungskürzungen zur Gegenfinanzierung der geplanten Beitragssenkung nicht für ausreichend. Eine konkrete Erhöhung sei aber bisher nicht geplant.
Der Verband der Angestellten- Krankenkassen (VdAK) rechnet damit, daß möglicherweise schon am 2. Januar 1997 der Beitragssatz um die gekürzten 0,4 und zusätzliche 0,4 bis 0,5 Prozentpunkte angehoben werden muß. VdAK-Sprecherin Michaela Gottfried betonte, daß die gesetzliche Krankenversicherung allein im ersten Quartal dieses Jahres einen Fehlbetrag von vier Milliarden Mark verzeichnet habe und sich von dem Sieben-Milliarden-Defizit aus dem Jahr 1995 noch längst nicht erholt habe. Auch die Barmer Ersatzkasse, mit neun Millionen Versicherten die größte deutsche Krankenkasse, glaubt nicht, daß Seehofer den Beitragssatz gesetzlich fixieren kann.
Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen betonte dagegen, für eine Diskussion über die Höhe der Beitragssätze sei es zu früh. „Da erst die Zahlen für das erste Quartal dieses Jahres vorliegen, sind Prognosen derzeit unseriös“, betonte die Sprecherin der Betriebskrankenkassen, Gerda Strack. „Wir können uns derzeit aber dem Trend nicht anschließen.“ Sollte Seehofer die explodierenden Krankenhauskosten in den Griff bekommen, rechnen die Betriebskrankenkassen nicht mit massiven Beitragserhöhungen.
Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Dieter Thomae (FDP), bezeichnete dagegen höhere Beiträge als nicht erforderlich. Da es heute zum Beispiel durch Mehrfachuntersuchungen oder bei der Verzahnung von ambulanten und stationären Leistungen noch „Wirtschaftlichkeitsreserven“ gebe, sei er überzeugt, daß die Kassen die Beiträgssätze nicht erhöhen müssen.
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