: „Am Ende gewinnen ...“
■ Wuffta-Humpfl-Dumpfl-Fußball: Warum Unterhaching mit kruppstahlhaftem Gekicke in der ersten Bundesliga bleiben wird / Oder: Wer zu viel schont, verliert schneller
Fußball, so wird der britische Sportkamerad Gary Lineker so oft wie gerne zitiert, Fußball sei ein Spiel für 22 Personen und am Ende gewinnen die Deutschen. Wozu sehr hübsch die Ausführungen des fußballerischen Feinschmecker-Papstes César Luis Menotti passen, für ihn sehe es so aus, als kämen alle deutschen Fußballer aus einer Fabrik, „wahrscheinlich ist es ein Stahlwerk“. Jawohl, und dann hätten wir schließlich noch das immergütige Diktum des niederländischen Übungsleiters Leo Beenhacker. Auf die Frage, wie denn dem deutschen Fußball zu helfen sei, antwortete der: „Haben Sie eine Stunde Zeit?“
Nun mag der geneigte Leser zu Recht fragen, was diese doch zwar durchaus richtigen Beobachtungen und Thesen mit dem freitäglichen Liga-Wettkampf zwischen dem heimischen Fußballverein und den ersten Herren des Münchner Vorstadtvereins Unterhaching zu tun hat. Antwort: Jede Menge. Denn grausamer kruppstahlhaft kann der Fußball kaum sein, als er von dieser Mannschaft vorgeführt wird. Am Ende haben die Hachinger Anzeigentafel-technisch zwar weder gewonnen noch verloren. Symbolisch gab es aber einen klaren Sieger: Deutschland. Und die Hachinger stehen inzwischen auch noch im Tabellen-Mittelfeld. Die steigen nicht ab.
Es ist dasselbe Elend, wie wir's bei so mancher WM oder EM erlebt haben. Da zelebrieren die Portugiesen technisch brillanten Fußball, die Brasilianer, wenn sie sich an ihre Wurzeln erinnern, zaubern jeden Gegner in die Bedeutungslosigkeit. Ein Arschwackler von Maradona, eine noch so kleine Finte, ein Solo von Okocha und wir wissen, warum wir diesen Sport lieben. Und am Ende gewinnen die Deutschen. Das ist wahrlich nicht so recht befriedigend.
Ebenso wenig befriedigend war's eben an jenem Freitag. Kleine Körpertäuschung von Cesar, Trares lässt den Gegner ins Leere laufen, Ailton setzt zu einem Sprint an, Maximov spielt erstaunlich wenig phlegmatisch den flotten Kurzpass, Frings ist die Müdigkeit anzumerken und trotzdem gelingen ihm ein paar zauberhafte Vorlagen, Baumanns sensationelle Übersicht, seit Schaaf den Fußball wieder eingeführt hat, liefert Werder massenhaft entzückende Szenen, selbst das grundvernörgelte Bremer Südtribünen-Publikum ist derart zufrieden, dass es für eine Halbzeit das Pöbeln sein lässt. Alles bestens. Eigentlich. Wenn nicht am Ende wieder die Deutschen gewonnen hätten. Die deutschen Tugenden. Denn die wohnen in der Münchner Vorstadt.
Unsereins war ja immer mit den Underdogs. Aber Haching, das hört sich nicht nur an wie Hartplatz, wahrscheinlich Schlacke vom nahen Stahlwerk, das klingt nicht nur nach Konditionslauf, Kaltwasserduschen, Krafttraining, Kampf, das sieht auch so aus. Um's mit Menotti zu sagen: Wenn Werder spielte, dann konnte man ab und an aus der Ferne Tango hören, würde dagegen bei der nächsten Musikschau der Nationen unter den Klängen des „Hoch- und Deutschmeisters“ die Hachinger Mannschaft einmarschieren, niemand müsste sich darüber wundern. Haching, das ist eben Wuffta-Wumpfl-Dumpfl-Fußball. Eben diese urdeutsche Mischung aus Hässlichkeit und Effektivität.
Die Hachinger Ballsportspielversuche waren in der ersten Halbzeit derart erbarmungswürdig primitiv, dass Werder nach der Pause schon aus zivilisatorischen Gründen die eigenen Bemühungen einstellen musste. Wenn einer hilflos am Boden liegt, dann tritt man nicht drauf. Wenn man einen eine Halbzeit lang vorgeführt hat, dann lässt man's in der zweiten Halbzeit sein. Das mag nicht gerade im Sinne des Bremer Tabellenstandes gewesen sein, aber dafür hochanständig. Doch seit wann hat das Einfluss auf die deutschen Tugenden? Die rumpumpelten dumpfig in der Hachinger Kabine herum, weil der Hachinger Trainer doch sagte, was ein deutscher Trainer so sagt. Dass nämlich die Bremer Abwehr Löcher hat und man doch bloß ein Gegentor schießen muss und sowas halt. Und weil es für den guten Menschen kaum zu fassen ist, dass derjenige, der gerade Schonung erhalten hat, pötzlich schonungslos zuschlägt.
Das schneidet dem echten Fußball-Romantiker direkt ins Herz, das klingt leider zu realistisch. Zugegeben, aber einen Trost gibt's auch in dieser trostlosen Betrachtung: Früher hiess die Hachinger Mannschaft ja Waldhof Mannheim und quälte uns Jahr um Jahr. Ist aber dann doch abgestiegen. Es gewinnen eben nicht immer nur die Deutschen. J.G.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen