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Am Abgrund des Kicherns

■ Die Sparkasse löckt das Bremer Teeny-Publikum mit einem Frühlingsgefühl-Special

Haben Sie ein Kondom bei der Sparkasse? Noch nicht? Dann wird es Zeit. Denn es ist Frühling, und da geht die Post ab: Herzklopfen, Rumknutschen, Zungenküsse sieht die Club-Zeitung der Sparkasse über die Jugendlichen kommen und kontert im Dienste der Aufklärung mit einem „Special über die Blumen und die Bienen“.

Fünf von 16 Seiten des alle zwei Monate erscheinenden Heftes widmem sich ganz den 12- bis 20jährigen, Zielgruppe von Eros und Sparkasse. Nichts, aber auch gar nichts wird da ausgelassen. Radikal, ja geradezu schonungslos werden die Dinge benannt und ausgesprochen: „Let's talk about...“

Tatsächlich verstanden die Kids diese Andeutung und ließen sich willig von der Club-Zeitung nach dem vielbeschworenen ersten Mal befragen. Ergebnis: da gibt es nichts mehr aufzuklären, die Kids wissen ziemlich gut Bescheid. „Wir waren perplex über die Offenheit der Jugendlichen“, erklärt der 53jährige Chefredakteur Manfred Haake unumwunden. Schmeißen wollte er freilich die Nummer trotzdem nicht. „Warum sollte man das Thema dem Doktor-Sommer-Team überlassen?“

Getreu dem Motto, wo keine Nachricht ist, muß man eine machen, modelte die Club-Zeitung das Ergebnis ihrer Umfrage unter zwei bis drei Dutzend Jugendlichen zu einer bahnbrechenden Erkenntnis um: „Die offenen Antworten der Jugendlichen widersprechen gängigen Trendaussagen: Keine/r will mit dem Sex bis zur Ehe warten. 16 hat sich zur gängigen Altersgrenze entwickelt – sei es, um endlich mitreden zu können, oder um einfach Spaß zu haben.“

Daß die Jugendlichen nicht auf ergraute Redakteure warten müssen, um mitreden zu können, belegen ihre kurzen Statements. Statt es dabei zu belassen oder daraus Konsequenzen zu ziehen, ergeht sich das Frühlingsgefühl-Special noch über weitere vier Seiten. Blumig-bienig wird über Verhütung, Aids und Schwangerschaft geschrieben, über lesbische und schwule Liebe, über Treue, Prostitution und Onanie. Beim Versuch, locker-witzig an die Sache ranzugehen und trotzdem cool-sachlich zu bleiben, wo die Jugendlichen doch nur kichern, verheddern sich die Autoren allerdings in recht fragwürdigen Naturtheorien: „Daß Homo sapiens Geschlechtsverkehr aus Spaß an der Freude haben will, ohne neun Monate später einen Nachkommen im Arm zu halten, war von der Natur so nicht geplant.“

Immer wieder wird das blaue Band des Frühlings zum Stolperdraht. Bei der Dauersuche nach dem Witz verfangen sich die Herren Redakteure schließlich in den „Zeichen der Zeit“: „Nachdem jetzt Bisexualität en vogue ist und die –Talkshows– der Privat-Kanäle darin wetteifern, Hobby-Exhibitionisten mit immer exotischeren Themen vorzuführen, ist Homosexualität auch kein Reißer mehr.“

Es will einfach nicht so recht klappen mit der Vereinigung von Ironie und Message. Selbst der schulterklopfende Rat, für's erste Mal in den Puff zu gehen, obwohl das mit 50 Mark eine tiefe Kerbe ins Taschengeld schlägt, kann heutzutage kaum noch als väterlich, sondern bestenfalls als großväterlich betrachtet werden. Dabei hat eine Prostituierte den Redakteuren noch erzählt, daß keine Jugendlichen in den Puff gehen. Warum sollten Kids das auch tun, sie haben, wie man gemeinhin weiß, genügend andere Gelegenheiten. Und das haben sie auch der Club-Zeitung verklickert.

Vergeblich. Bleibt zu fragen, wer hier eigentlich wen aufklärt? Und warum zeigen sich die Redakteure der Sparkasse so resistent gegenüber den Erfahrungen der Kids? Erwachsene sollten wohl besser ein paar Tage im Wald kichern gehen als so eine Sparkassensexualaufklärung zu betreiben.

dah

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