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Altpapierverordnung reicht nicht aus

■ Greenpeace verlangt Abgabe, Industrie keine Verordnung

Berlin (taz) – Das Konzept Recyclingwirtschaft von Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) soll auch vor Zeitungen und Zeitschriften nicht halt machen. Zu diesem Zweck hat das Bundesumweltministerium jetzt eine Altpapierverordnung vorgelegt. Kernpunkt der Verordnung: Die Verlage und Druckhäuser sollen möglichst viel der von ihnen verwendeten 7,8 Millionen Tonnen graphische Papiere zurücknehmen. Und sie sollen einen in Stufen höher werdenden Anteil an recycelten Rohstoffen in ihrer Papierproduktion einsetzen. Freiwillige Maßnahmen zur Steigerung des Papierrecyclings seien von der Industrie „nicht in ausreichendem Maße realisiert“ worden. Die Bundesregierung hatte 1991 festgestellt, daß zusätzlich 1,6 Millionen Tonnen Altpapier wiederverwendet werden könnten.

Niemand, nicht einmal die Industrie, traut sich derzeit, dem abfallwirtschaftlichen Ziel der Verordnung grundsätzlich zu widersprechen. Warum gerade wir, lautet dennoch ihr Schlachtruf. „Wir fühlen uns als Branche auf den Arm genommen“, so der Sprecher des Bundesverbands Druck, Peter Klemm. In der Bundesrepublik würden heute schon vorbildliche 48Prozent des Papiers recycelt, beim Zeitungspapier sogar 68Prozent. Schon gar nicht wollen sich die Druckhäuser das Verbrennen des Altpapiers verbieten lassen. „Die thermische Verwertung ist eine sinnvolle Verwertungsform“, heißt es in einer gestern verbreiteten Stellungnahme.

Umweltschützer kritisieren dagegen, daß der Entwurf für die Verordnung, der heute in Bonn von Industrieverbänden, Umweltschützern und Ministerialbeamten diskutiert wird, dem vordringlichen Gebot der Müllvermeidung nicht gerecht werde. Die wichtigste Lücke klaffe bei den vorgesehenen Recyclingquoten. Die Verordnung gehe von einem weitgehend stabilen Papierkonsum aus, moniert Greenpeace. Doch die Industrie selbst erwartet bis zum Jahr 2000 eine Verbrauchssteigerung um 40Prozent. Selbst wenn Ende der neunziger Jahre tatsächlich 60Prozent des Papiers recycelt würden, wie dies die Verordnung vorsieht, müßten für den Papierverbrauch in der Bundesrepublik immer noch mehr Bäume abgeholzt werden, als es heute der Fall ist. Greenpeace fordert daher erheblich höhere Recyclingquoten von 75Prozent ab dem Jahr 2000.

Um der Industrie systematisch Anreize zur Papiereinsparung zu geben, schlagen die Umweltschützer außerdem eine Papierabgabe von 30 Mark pro Kubikmeter Holzäquivalent vor. Ziel der Abgabe sei es, daß sich auch in der Druckindustrie „die ökologischen Kosten des Papierverbrauchs annähernd wiederspiegeln“. Der Gesetzgeber soll zudem verhindern, daß Altpapier zum Verbrennen ins Ausland geschafft wird. Mit Begleitscheinen könne die stoffliche Verwertung des Altpapiers auch im Ausland nachgewiesen werden.

Solche Einschränkungen und Vermeidungsstrategien stoßen der Industrie bitter auf. „Müllvermeidung heißt doch in unserem Fall, bestimmte Produkte werden nicht gedruckt“, so Druckverbands- Sprecher Klemm. Er wittert hinter solchen Vorschlägen eine Bedrohung der verfassungsmäßig garantierten Meinungsfreiheit. Wer gegen bunte Werbebeilagen in der Zeitung sei, „wird ganz schnell zum Zensor“, schimpft der Industrievertreter. Hermann-Josef Tenhagen

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