Altlasten im Boden: Bundeswehr bleibt Buhmann
Noch Jahrzehnte müssen die Anwohner des Tanklagers in Bremen-Farge mit Öl in ihren Gärten leben. Sie fordern schnellere Sanierung.
BREMEN taz | Das Gemeindehaus Rönnebeck war mit 150 Menschen bis auf den letzten Platz gefüllt, als diese Woche die „Bürgerinitiative Tanklager Farge“ zur Versammlung einlud. Immerhin war die Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) gekommen und Wolfgang Kumpfer aus dem Stab des Umweltsenators. Die Bundeswehr hingegen, Betreiberin des Geländes, entzog sich wieder der Auseinandersetzung mit den Anwohnern.
Nach jahrelangem harten Streit hatte sich im vergangenen Jahr die Bürgerinitiative durchgesetzt: Es gibt einen eindeutigen Beschluss der Bürgerschaft und auch eine mündliche Zusage der Bundeswehr über die Schließung. Bis dahin hatten Bundeswehr und Bremer Umweltsenator die Position vertreten, die riesigen unterirdischen Tanks aus der Nazizeit sollten an einen privaten Nutzer verkauft werden.
Nun aber steht die Frage im Raum: Was soll nun aus dem Gelände werden, dessen Boden mit Öl verseucht und mit Blindgängern aus dem Weltkrieg durchsetzt ist?
Für die Anwohner gilt die „Empfehlung“ des Gewerbeaufsichtsamtes, die Finger vom Brunnenwasser im Garten zu lassen – es riecht nach Benzin. Mit eigenen Kontrollbrunnen überwacht die SWB, wie weit die Öl-Fahne sich zum Trinkwasserbrunnen Farge ausbreitet.
300.000 Kubikmeter Öl in 78 unterirdischen Tanks sollten nach dem Willen der Nazis im Tanklager Farge eingelagert werden. Zwangsarbeiter mussten die Tanks mit einer ein Meter dicken Beton-Ummantelung bombensicher machen.
125 Kilometer einwandige Treibstoffleitungen verbinden die Tanks unterirdisch. Nach heutigen Umweltstandards dürfte nichts von diesem Tanklager genehmigt werden.
300 Hektar groß ist das militärische Sperrgebiet, davon 100 Hektar auf dem Gebiet von Schwanewede.
Zwei Meter mächtig ist die Schicht des ölverseuchten Bodens an einigen Stellen des "Verladebahnhofs II" - gemischt mit aromatischen Kohlenwasserstoffen (BTEX) und Methyl-Butylether (MTBE).
Ungezählte Bomben liegen im Boden des Geländes.
„Ich wünsche mir, dass das Gelände irgendwann einmal ein Naherholungsgebiet wird“, erklärte die Finanzsenatorin und baute damit eine Brücke zu den Anwohnern. Aber bis heute seinoch kein förmlicher Stilllegungsbescheid der Bundeswehr in Bremen angekommen.
Der ist auch nicht so einfach zu erlassen – er muss verbunden sein mit einer Planung über den Rückbau der die Umwelt belastenden Bauwerke, die hunderte von Millionen Euro kosten dürfte. Seit Jahren wird über verschiedene Brunnen versickertes Öl gefördert auf dem Gelände – „etwa eine Colaflasche pro Tag“, beschrieb der Vertreter des Umweltsenators die Dimension. Es geht nicht schneller, weil das Öl gebunden ist im Erdreich und nur langsam in den Trichter zum Abpumpen hineinläuft. Jahrzehnte kann es dauern, bis der Prozess abgeschlossen werden kann.
Im Vergleich zu früheren Zeiten, in denen die BI noch um die Stilllegung kämpfen musste, endete diese Versammlung versöhnlich. Die Finanzsenatorin erklärte, dass sie sich für regelmäßige Kontakte mit den Vertretern der BI bemühen wolle, um eine Vertrauens-Basis zu schaffen – immerhin arbeite man ja an demselben Ziel. Die Sorge, dass es teuer für Bremen werden könnte, hat sie nicht: Bezahlen muss der Bund.
In einem ersten Schritt sollen die fachlichen Anregungen des Experten der Bürgerinitiative mit den Experten der Umweltbehörde besprochen werden – die BI nahm dieses Angebot gern an.
Eine komplizierte Fach-Debatte gibt es allerdings um die Frage, ob sich die Schadstoff-Fahne weiter ausbreitet oder ob die Diffusion im Boden unter den Wohngebieten und Richtung Trinkwasserbrunnen der SWB gestoppt ist. Die SWB hat drei weitere Messstellen im Vorfeld des Brunnens 16 errichten lassen, um einen eventuellen Zustrom auf den Brunnen frühzeitig erkennen zu können. Die Beprobung der drei neuen Messstellen durch die SWB-Tochter „wesernetz“ hat bisher, so teilte „wesernetz“ auf Nachfrage der taz mit, keine Zunahme der Schadstoffbelastung des Grundwassers ergeben.
Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) hält die derzeit praktizierten Maßnahmen zur Abschöpfung des Öls „an der Quelle“, nämlich beim Verladebahnhof II, für ausreichend, weil dadurch die Abdrift gestoppt würde. Er ist davon überzeugt, dass das Verfahren dem modernsten Stand der Technik entsprechen würde. Wenn man Grundwasser abpumpen und reinigen würde, dann würde das nur den Sog zu den hoch konzentrierten Öl-Feldern erhöhen, erklärte er gegenüber der taz.
„Ein Nachweis dafür, dass die Fahne stationär ist, ist mir nicht bekannt“, erklärt dagegen der Experte der Bürgerinitiative, Georg Karfusehr. Es spreche „auch aus fachlicher Sicht nichts für diese Hypothese“.
Denn zumindest der Schadstoff MTBE gilt als sehr gut löslich, nicht oder nur sehr schlecht abbaubar und neigt nicht dazu sich an organischen Bestandteilen im Boden anzulagern, so dass nur mit geringen ,Selbstreinigungskräften‘ zu rechnen ist, die am Ende zu einem stationären Zustand der Fahne führen würde.“
Zudem ist er der Ansicht, dass die Ölabschöpfung im Bereich Verladebahnhof II die eine Sache ist, eine Sanierung der Schadstoff-Fahne aber eine andere. Um einen weiteren Abstrom der Schadstoffe zu blockieren, müsse man „mehrere/weitere Förderbrunnen an der Liegenschaftsgrenze (die Fahnenbreite beträgt dort circa 200 m“ einrichten.
„Wenn die Grundwassersicherung auf mehrere Brunnen verteilt wird und auch weitere Brunnen für die Ölabschöpfung errichtet werden ist keine Sogwirkung zu erwarten“, widerspricht er ausdrücklich dem Umweltsenator: „Der/die Brunnen für die Fahnensanierung sind weit weg vom Einflussbereich der Ölabschöpfbrunnen und beeinflussen sich nicht gegenseitig.“
Die Sanierung der Abstrom-Fahne würde zudem einen deutlich geringeren Zeitaufwand erfordern – fünf bis zehn Jahre – als die vollständige Sanierung der bekannten Schäden auf der Liegenschaft – mehrere Jahrzehnte. Er stellt die Frage, ob die Gutachter der Firma HPC überhaupt den Auftrag bekommen haben, sich mit dieser Frage der Abstromsicherung zu befassen.
Die Bürgerinitiative sieht in den von der Umweltbehörde veröffentlichten Messdaten Anzeichen für eine Ausbreitung der Öl-Fahne. Unstreitig ist: Die gemessenen Werte schwanken. Offiziell hat die Umweltbehörde im Januar 29015 mitgeteilt, dass auch an Messstelle Ecke Farger Straße / An der Amtsweide, circa 950 Meter im Grundwasserabstrom von der Liegenschaftsgrenze des Tanklagers entfernt, „leicht erhöhte schwankende MTBE-Konzentrationen“ gemessen wurden, die Werte lägen „zwischen 7,6 und 18,0 µg/l“, als „geringfügig“ werden Werte unter 15,0 µg/l angesehen. „Die BTEX-Konzentrationen schwanken in dieser Messstelle zwischen 9,0 und 27,0 µg/l mit seit 2011 leicht steigender Tendenz.“ Geringfügig wären Werte unter 20,0 µg/l.
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