: Altlasten - wer zahlt?
■ Nordbadische Gemeinden wollen vor BGH klären, ob Industrieunternehmen für Grundwasserverseuchung verantwortlich gemacht werden können / Firmen sollen für Umweltverschmutzung zahlen
Aus Ludwigshafen Felix Kurz
Die beiden Bürgermeister Werner Weik (CDU) und Hugo Giese (SPD) der nordbadischen Gemeinden Plankstadt und Eppelheim sind sich einig. Im sogenannten Grundwasser–Streit wollen sie vom Bundesgerichtshof (BGH) jetzt ein klärendes Wort darüber hören, wer denn nun für Schäden aus Altlasten, die irgendwann einmal irgendwo von Industrieunternehmen gelagert worden sind, gerade stehen muß. Dem Musterprozeß, den die zwei Gemeinden jetzt vor den BGH tragen, liegt ein Fall von Umweltverschmutzung zugrunde, den wahrscheinlich noch zahlreiche Gemeinden erleben werden. In den 50er und 60er Jahren verpachtete Eppelheim ein Grundstück als Industriemülldeponie an mehrere Firmen. Doch diese luden dort auch ihren Giftmüll ab. 1981 entdeckte man, daß von der inzwischen geschlossenen Deponie das Grundwasser durch halogenierte Chlorkohlenwasserstoffe verseucht wurde. Das nahegelegene Plankstädter Wasserwerk mußte geschlossen werden. Zu zwei Aussiedlerhöfen, die sich bislang selbst aus eigenen Brunnen versorgt hatten, zog man neue Wasserleitungen. Die Kosten für die Gemeinde Plankstadt: ca. 170.000 DM. Eppelheim war gezwungen, Beobachtungsbrunnen anzulegen, um so den Verlauf der Kontaminierung des Grundwassers kontrollieren zu können. Die Kosten hier: rund 250.000 DM. Diese Summe - dabei handelt es sich nicht um Sanierungsgelder, die später noch nach Angaben von Hugo Giese in Millionenhöhe hinzukommen können - wollen die zwei Gemeinden jetzt vor dem BGH von den beiden Heidelberger Firmen Teroson und Kluthe einklagen. Beide waren damals mit von der Partie bei der Abfallentsorgung in der Eppelheimer Kiesgrube. Darüberhinaus sollen die Bundesrichter nach den Anträgen der Gemeinden die Firmen verpflichten, daß diese auch für die in Zukunft noch entstehenden Schäden gerade stehen. In zwei Vorinstanzen scheiterten die Kommunen bislang mit ihren Ansprüchen. Deren Begründung: Eppelheim habe damals einen ganz normalen Pachtvertrag mit den Industrieunternehmen abgeschlossen und ihnen die Deponie überlassen. Ansprüche aus einem Pachtvertrag verjähren allerdings nach einem halben Jahr. Doch wie, so fragt sich Klaus Bühler, der Heidelberger Rechtsanwalt der beiden Gemeinden, kann man Grundwasser verpachten, das laut Gesetz ohnehin jedermann gehöre. Zudem seien Schäden von „so ungeheurem Umfang“ seiner Meinung nach mit dem aktuellen gesetzlichen Instrumentarium kaum beizukommen. Allein das Abtragen des verseuchten Erdreiches und das Ausgraben der rund 200 vermuteten Giftfässer würde nach einem Gutachten über 300 Mio. DM (!) kosten, sagte Hugo Giese der taz. Bühler erwartet deshalb, daß der BGH endlich festlegen muß, welches Recht in solchen Fällen anzuwenden ist. Auch die Gemeinde Plankstadt, die die zwei Industrieunternehmen auf Schadensersatz „aus unerlaubter Handlung“ verklagte, hatte keinen Erfolg. Hier beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre.
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