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Altersarmut in DeutschlandImmer mehr jobbende Rentner

Neue Zahlen des Bundesarbeitsministeriums zeigen: Rund 660.000 Rentner müssen nebenher arbeiten. Starker Anstieg auch bei der Grundsicherung im Alter.

Der Schatten der Altersarmut legt sich über immer mehr Rentner. Bild: dapd

BERLIN/SAARBRÜCKEN dpa | Immer mehr Rentner in Deutschland müssen auch im hohen Alter noch dazu arbeiten oder die staatliche Grundsicherung beantragen, um über die Runden zu kommen. So gingen 2010 rund 660.000 Menschen im Alter zwischen 65 und 74 Jahren nebenher einer geringfügigen Beschäftigung oder einem Minijob nach, berichtet die Saarbrücker Zeitung. Im Jahr 2000 waren es nur 416.000 gewesen.

Dies gehe aus aktuellen Zahlen des Bundesarbeitsministeriums hervor. Der Anstieg der Zahl der geringfügig jobbenden Rentner betrug demnach 58,6 Prozent; ihr Anteil wuchs seit dem Jahr 2000 von 3,0 auf 3,9 Prozent von allen Rentnern.

"Ruhestand war gestern, malochen bis zum Tode heißt heute das Schicksal von immer mehr Rentnerinnen und Rentnern", sagte der Linken-Abgeordnete Matthias Birkwald, der eine kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt hatte, der Zeitung.

400.000 über 65-Jährige beantragten und erhielten im Jahr 2009 nach den vorliegenden Zahlen zudem die staatliche Grundsicherung im Alter, ebenfalls ein Zuwachs von 55 Prozent gegenüber 2003, als es nur 258.000 waren.

"Prekäre Arbeit führt direkt in die Altersarmut", sagte Birkwald und forderte unter anderem, alle Rentenkürzungsfaktoren wieder abzuschaffen, die Rente mit 67 zurückzunehmen und wieder Mindestentgeltpunkte für Langzeitarbeitslose und Niedrigverdiener einzuführen. Das Sozialministerium will im Herbst einen "Regierungsdialog Rente" durchführen. Anfang 2012 solle ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, mit dem das Rentensystem so angepasst werden solle, "dass Armutsgefährdung im Alter nicht zunimmt", teilte das Sozialministerium der Saabrücker Zeitung auf Anfrage mit.

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5 Kommentare

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  • I
    Ilmtalkelly

    Sicher sind ist die Mehrzahl der jobbenden Rentner auf den zusätzlichen Verdienst angewiesen, aber auch nicht unerheblich ist die Zahl derer, die sich dank fortgeschrittener Gesundheit im Alter noch fit genug dazu fühlen. Desweiteren sind heute ältere Menschen gegen ihre Natur nur noch selten an Pflege bsp. der Enkel beteiligt. Neben existenziellen Gründen sollte man schlichtweg Isolation und Langeweile in diesem Kontext mit benennen.

    Das Wissen um das Bundesfreiwilligenjahr könnte einige dieser Altersgruppe ansprechen.

  • T
    Tatze

    Mit Eintritt der von SPD + Grünen 1998 bis 2005 vorgenommenen gesetzlichen Veränderungen war klar, dass die Altersarmut zukünftig zunimmt.Das war politisch gewollt und vorhersehbar. Sowas wollt ihr ernsthaft wieder an der Regierung haben?

  • H
    Harry

    Hier wird mal wieder gezeigt, wie man Stimmumg machen kann. Das fängt schon mit dem Untertitel des Artikels an. Das Arbeitsministerium teilt nicht mit, wieviele Rentner arbeiten müssen, sondern wieviele arbeiten. Da werden wohl auch viele dabei sein, die sich zu einer guten Rente noch etwas dazu verdienen, vielleicht sogar auf Bitte des alten Arbeitgebers.

     

    Zur Dynamik der Entwicklung: In zehn Jahren ging der Anteil der jobbenden Rentner von 3 auf 3,9% hoch. Wenn das so weitergeht, sind wir in 10 Jahren bei 5%. Man muss wohl Linker sein um darin eine Tendenz zu „malochen bis zum Tod“ zu erkennen.

     

    Die Forderung nach allgemeiner Erhöhung des Rentenniveaus und Rücknahme der Rente mit 67 konzentriert sich in gewohnter Weise auf die Verteilung von Wohltaten und vergisst zu erwähnen, dass diese Wohltaten von den leider immer weniger werdenden jungen Leuten bezahlt werden müssen.

  • N
    NaJa

    Aus dem Artikel der Saarbrücker Zeitung geht lediglich hervor, daß 660000 Rentner einen Zuverdienst erarbeiten. Eine Aussage über die Gründe kommt als Vermutung von einem Linken daher.

    Es soll hier nicht abgestritten werden, daß einige auch dazuverdienen müssen. Aber ein sehr großer Teil verdient sich eben etwas dazu. Zu Hause fällt die Decke auf den Kopf, teures Hobby, Übergang von 40-50 Std/Wo auf 0 ist zu krass und was der Gründe mehr sein mögen.

    Liebe TAZ! Lassen Sie doch diese Spekulationen, die sich aus den zur Verfügung stehenden Zahlen in keiner Weise ergeben.

  • AA
    Anton Anon

    Man bezahlt also Rentenversicherung quasi umsonst.