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„Alternativer Geschäftsbericht“ der BahnTeure Fahrkarten, schlechter Service

Das Bündnis „Bahn für alle“ kritisiert das Management der Deutsche Bahn. Sie vernachlässige das Inland, um im Ausland auf Einkaufstour zu gehen.

Gleicht immer mehr einem Verschiebebahnhof: Das DB-Inlandsgeschäft. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Bahnreisenden bekommen einen immer schlechteren Service – müssen dafür aber mehr bezahlen. So sieht es jedenfalls das Bündnis „Bahn für alle“, das am Dienstag seinen „Alternativen Geschäftsbericht der DB AG 2012“ vorgelegt hat. In dem Bündnis haben sich 20 Organisationen zusammengeschlossen, darunter Attac, Ver.di und Umweltverbände.

Besonders kritisiert das Bündnis die Investitionen der Deutschen Bahn in anderen Ländern und anderen Verkehrssparten. So betreibe das Unternehmen die größte Fernbuslinie Portugals. Das Kerngeschäft – der deutsche Bahnverkehr – werde jedoch vernachlässigt.

In Deutschland erreichte ein Drittel der Züge den Zielbahnhof mit mehr als sechs Minuten Verspätung, nachts sogar 40 Prozent der Züge. Auch kleinere Verspätungen könnten für die Reisenden zum Verhängnis werden. Denn viele Regionalzüge warten nicht mehr auf verspätete Fernzüge, da die jeweiligen Verkehrsverbünde für eigene Verspätungen Strafe zahlen müssten, so das Bündnis.

Zudem spare die Bahn an der Sicherheit und der Instandhaltung von Bahnhöfen – Bahnsteige würden nicht von Schnee geräumt, und Durchsagen fielen aus. „Viele kleinere Bahnhöfe sind in einem sehr schlechten Zustand“, sagt Bernhard Knierim, einer der Autoren des alternativen Geschäftsberichts, „andere hat die Bahn sogar schon verkauft.“

Preissteigerungen bis zu 80 Prozent

Trotz des schlechteren Services seien die Reisepreise in den vergangenen zehn Jahren um 35 Prozent gestiegen. „Das ist doppelt so stark, als man es mit der Inflationsrate begründen könnte“, sagt Knierim. Hinzu kämen weitere Kosten, wie etwa die Preissteigerung für die Bahncard – seit 2003 sei sie um 80 Prozent teurer geworden.

Auch kritisiert das Bündnis das Verhalten der Bundesregierung. „Die Änderung des Personenbeförderungsgesetzes halten wir für einen katastrophalen Fehler“, sagt Winfried Wolf, Verkehrsexperte im Zusammenschluss „Bürgerbahn statt Börsenbahn“. Seit der Gesetzesänderung dürfen private Fernbuslinien Strecken bedienen, über die bislang die Bahn das Monopol hatte. „Wir befürchten, dass es zu einem neuen Kahlschlag der Verbindungen kommen wird“, so Wolf. Die Bahn könne nun die Buslinien als Argument nutzen, um Strecken lahmzulegen.

Eine bahnfreundlichere Weichenstellung der Politik fordert auch Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke: „Wir wünschen uns Rahmenbedingungen, die dafür sorgen, dass die Bahn ihre Umwelt- und Qualitätsziele ausbaut.“ Derzeit sei im größten öffentlichen Unternehmen der Bundesrepublik demokratische Mitbestimmung praktisch unmöglich, so Leidig.

Es gebe jedoch auch einige Vorzeigeregionen, in denen sich die Bahn bürgerfreundlich entwickele, so das Bündnis. Auf Usedom etwa habe sich die Fahrgastzahl innerhalb der vergangenen 20 Jahre von 300.000 auf drei Millionen verzehnfacht. Dies sei – neben dem Tourismusboom – auf einen leidenschaftlichen Eisenbahner zurückzuführen, der sich für die Bevölkerung eingesetzt habe. „Im Management der Deutschen Bahn sitzen derzeit aber keine Eisenbahner mehr“, sagt Wolf. Damit sei das „Unsere-Bahn-Gefühl“ von Usedom auf Bundesebene derzeit undenkbar.

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16 Kommentare

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  • S
    Susanna

    Man kann bei der Bahn auch keine Reservierung nebeneinander im Abteil buchen. Nur gegenüber (dasselbe Problem im Großraumwagen am Tisch). Ist auch super, wenn man mit Kleinkindern unterwegs ist, das Kleinkinabteil voll und im Abteil sitzt man sich dann gegenüber. Yay.

    Auf meine Anfrage beim Kundendienst, warum die Software der Bahn nicht kann, was jeder Billigflieger kann, hieß es, sie könnten das schon, wenn ich dafür in eine ihrer Verkaufstellen am Bahnhof komme. Hehe.

    Ein Traum.

  • H
    Hanne

    @Arno Nym

     

    "Ein Harz IV Empfänger kann sich derzeit keine Bahnfahrt im Fernverkehr leisten."

     

    Ein "Hartz IV-Empfänger" darf seinen Wohnort auch gar nicht verlassen! ;-)

     

    Grundsätzlich haben Sie natürlich recht, ÖPNV bzw. Mobilität ist mit den paar Groschen, die dafür im 100%-Regelsatz eingeplant sind, nicht möglich.

     

    Aber wen interessiert das schon?

     

    "Die" sollen doch auch gar nicht unterwegs sein, lieber schön in der engen, schimmligen Wohnung am Stadtrand vor'm Fernseher sitzen bleiben und ihre Kinder verwahrlosen lassen, damit auch ja das Klischee stimmt...

  • A
    Arthur

    Kaputtgespart werden nun aber wirklich nur manche Bahnhöfe, fast schon eher Haltestellen. Wir wollen schließlich nicht die Prestigebauten in Berlin oder Stuttgart vergessen. Und auch anderswo, etwa in Hamburg, wird viel für die 'Sauberkeit' getan, wo die hauseigene 'Sicherheit' Jagd auf Obdachlose und Sans Papiers macht, denn die haben ja schließlich keine Bahnsteigkarte gelöst.

  • B
    barney

    Die Usedomer Bäder-Bahn (UBB) ist wirklich nett, aber auch sehr langsam unterwegs.

    Und um erstmal dorthin zu kommen, benötigt man eine Ewigkeit. Mit IC und UBB braucht man von Berlin nach Heringsdorf fast 4 Stunden, vor 80 Jahren waren es übrigens nur zweieinhalb. Da der Wiederaufbau der Eisenbahnbrücke bei Karnin ja angeblich unwirtschaftlich wäre - was die Bahn ja bei S21 auch nicht abhält :) - und man gleichzeitig auch keinen Bahnbus von Anklam nach Heringsdorf anbietet, wird Usedom also weiterhin jeden Sommertag den Verkehrsinfarkt auf der B111 erleiden müssen.

  • D
    D.J.

    Von Dortmund nach Leipzig zahle ich mit dem neuen Linienfernbus 19 Euro. Das ist der Sparpreis, der aber, soweit ich sehe, meist gilt, wenn ich ein paar Tage eher buche. Sparpreis mit der Bahn kostet das Doppelte. Hinzu kommt der Preis für den Sitzplatz.

    Fazit: Auch wenn ich Besserverdiener wäre - warum sollte ich so bekloppt sein, die horrenden Preise der Bahn zu zahlen, die zumals noch nicht einmal ökologisch sinnvoller ist?

  • M
    mrs.pock

    warum nicht den link angeben? 8 Seiten, 1,2 MB:

     

    http://www.bahn-fuer-alle.de/media/docs/2013/AltGeschBer2012.pdf'>http://www.bahn-fuer-alle.de/media/docs/2013/AltGeschBer2012.pdf

     

     

    http://www.bahn-fuer-alle.de/

  • AN
    Arno Nym

    Sehr lustig ... hier wird über die Privatisierung der Bahn geschimpft ohne mal zu schauen WEM die privatisierte Bahn eigentlich gehört.

     

    Zitat:

    Das Grundkapital des Unternehmens beträgt 2,15 Milliarden Euro und ist in 430 Millionen auf Inhaber lautende, nennwertlose Stückaktien eingeteilt. Die Bundesrepublik Deutschland ist Inhaber aller Anteile.[7]

     

    Quelle:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Bahn

     

     

    Sprich der BUND zieht sämtliche Gewinne aus dem Unternehmen und drängt auf immer weitere Kostenreduktionen und Preissteigerungen um seinen maroden Haushalt am laufen zu halten. Aber natürlich ist die Bahn schuld daran das die Preise steigen ;-)

     

    Die "Privatisierung" war in meinen Augen lediglich Augenwischerei damit man das Unternehmen auf Profitmaximierung ,ähnlich einem privaten Unternehmen, trimmen kann, dabei aber völlig ausser acht lässt, oder sogar billigend in Kauf nimmt, das damit die Mobilität der Bürger immer weiter abnimmt.

     

    Ein Harz IV Empfänger kann sich derzeit keine Bahnfahrt im Fernverkehr leisten.

  • Z
    Zora

    Schaut Euch nur diese von Zigarettenrauch und Zigarettenstümmeln stinkenden und verdreckten Bahnhöfe an.

  • HR
    HP Remmler

    Herr Grube ist von Haus aus ein Manager aus der Automobilbranche (Daimler). Automanager haben dafür zu Sorgen, dass Autos verkauft werden. Sonst noch Fragen?

  • F
    Fardreamer

    fahrpreise anheben, service entfernen, überteuerte sinnlosbahnhöfe bauen aber die kleinen, wichtigen dichtmachen - super bahn, super

    grundsätzlich wäre ich für eine für alle menschen kostenlose bahn. punkt. mobilität ist menschenrecht.

    wie das finanziert werden soll? wenn wir aufhören unsere freiheit am hindukusch zu verteidigen, den banken milliarden in die eh schon überzuckerten hinterteile zu blasen und sonstige sinnlosausgaben wegfallen reicht das gepsaarte geld bestimmt für 2 bahnnetze ;)

  • FF
    Fahrkarten für Kinder

    Die DB macht es auch fast unmöglich Tickets für allein fahrende Kinder online zu bestellen.

     

    Online ausdrucken geht gar nicht, bestellen ja, aber nur gegen Postversand zu 3,50 € je Buchung!

     

    Auch können nicht Fahrkarten für mehrere Kinder zugleich gebucht werden. Das wird dann ggf. mit der Sitzplatzreservierung zusammen schwer! Außerdem kann es sein, dass der Sparpreis weg ist, wenn ich für das weitere oder die weiteren Kinder buchen möchte.

     

    Es gibt bei der DB-online keinen Warenkorb!!! Das muss man sich mal vorstellen! Jede Karte, ggf. auch je eine Hin- und Rückfahrkarte für Kinder, die entweder alleine reisen oder mit nicht-verwandten-Erwachsenen oder eben schon über 14 Jahre sind, können online nur gegen je 3,50 € Versandkosten bestellt werden! Der Versand dauert dann ca. 3 Werktage.

     

    Da die meisten Kinder, vor allem diejenigen, die auch reisen, bereits ab ca. 12 Jahren einen Personalausweis und/oder eine BahnCard besitzen, ist die Identifizierung kein Problem. (Diese wird bei der DB als Grund angegeben.)

    Das "Identifizierungsproblem" rechtfertigt allerdings auf keine Weise, dass jede Karte extra gebucht und versandt werden muss.

     

    Seltsamerweise bucht die DB dann aber alle Fahrkarten in einer Summe ab. Das geht dann schon, obwohl es doch alles "einzelne Buchungsvorgänge" sind.

     

    Ich erwarte von einem so großen Unternehmen, dass sie ihren Shop technisch barrierefrei und kundenfreundlich gestalten. Außerdem verstehe ich nicht, wie die DB ihre zukünftigen Kunden, die Jugendlichen, vom spontanen und günstigen Bahnfahren abhält!

     

    Es gibt so viele Kinder, die mind. 14tägig durch Deutschland pendeln. Weshalb können die Fahrkarten nicht einfach online gebucht und ausgedruckt werden???

  • A
    alex

    Es gab Zeiten, da hatten Bahn und Post den Auftrag, die Grundversorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

     

    Heutzutage herrscht im Zuge der allgemeinen Privatisierungswelle eine Bahn-"Unternehmensphilosophie" vor, die ausschließlich an Profiten, Privatisierung (die vollständige Umwandlung in eine AG scheint in den Vorstands-, Management- und z.T. in den Politikerköpfen immer noch nicht vom Tisch zu sein) und Aktienkursen orientiert ist.

     

    Da geht die Bahn dann lieber auf Einkaufstour im Ausland (ergänzt durch Zukauf von Busfernverkehrsunternehmen im Inland)statt Schienen-, Bahnmaterial und Bahnhöfe instandzuhalten, zu warten und zu modernisieren (öffentlichkeitswirksame Prestigegroßbauten mal außen vor gelassen).

    Das geht natürlich auf Kosten von Service, Pünktlichkeit, Preis und Sicherheit und Lärm- und Gesundheitsschutz wird in der Praxis ebenfalls ganz klein geschrieben, aber viel in der Öffentlichkeit beredet (Installation einer Lärmschutzbeauftragten des DB Konzerns als Alibifunktion?).

    Und die Bundesregierung als 100%iger Besitzer der Bahn schaut zu, macht mit, interveniert nicht im Sinne des Bürgers, Konsumenten, Anwohners...

  • HK
    Helmut Karsch

    Szenario Bahnfahrt: Kassieren ohne Leistung:

    Fahrt Frankfurt-Münster Preis 100€. Fahrt bis Essen. Umsteigen in Essen Richtung Münster. Zug endet in Recklinghausen ohne Angabe von Gründen. Ein weiterfahren mit anderen Zügen ist nicht mehr möglich. Alle Verbindungen ersatzlos gestrichen. Auskunft keine.

    Telefoniert.Bekannten kontaktiert. Der hat mich mit dem Auto abgeholt. Hin und Rückfahrt Auto Recklinghausen-Münster 140km. Vollkostenrechnung PKW VW Polo km ca. 35 Cent. Sind ca 50 Euro Fahrtkosten Auto.Die Bahn ist das teuerste und schlechteste Vekehrsmittel das es gibt. Soviel zur Privatisierung.

    privare =berauben. Passt doch

  • Z
    Zilla

    Für Leute ohne Geld ist Bahnfahren ein Luxus. Ich nehme auch immer die Mitfahrgelegenheit. Die Kosten für die Strecke Magdeburg - Leipzig reduzieren sich damit von über 20€ auf 7€ und die Fahrzeit ist auch ca. eine halbe Stunde kürzer.

  • H
    Hubert

    Ein Wort: Mitfahrgelegenheit.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Preis/Leistungsverhältnis bei der DB stimmt nicht.Aus diesem Grunde sollte das Ticket nicht preislich angehoben werden.