Alternative Toilettenmodelle: Im Örtchen nichts Neues
Im Schweden findet man umweltbewusste Humustoiletten sogar in Hotels. In Deutschland dagegen sind alternative Toilettenmodelle im öffentlichen Raum noch nicht denkbar.
Auf der A3 bin ich "Stammkunde". Drei Stunden Fahrt trennen mich von Studienort und der Familie. Und irgendwo auf dem Weg wird es immer auftreten: das Bedürfnis, mich zu erleichtern. Inzwischen kenne ich gefühlt jede Sanifair-Toilette zwischen Aschaffenburg und Nürnberg.
Als ich neulich wieder auf einer zuvor frisch gereinigten und in Folge dessen irgendwie unangenehm feuchten Toilette saß, sprang mir ein Werbeplakat, Größe DIN A 4, ins Auge. Es war ein Plakat der Firma selbst und es legte mir nahe, mein Geschäft doch öfter in Sanifair-Einrichtungen zu erledigen, weil das besonders nachhaltig sei.
Am Telefon erklärt mir ein sehr freundlicher Mitarbeiter der Autobahn Tank und Rast GmbH, die sich für die Toilettenanlagen sowie weitere Raststättenangebote auf Deutschlands Autobahnen verantwortlich zeichnet, das Thema Nachhaltigkeit verhalte sich bei Sanifair "vergleichsweise unkompliziert".
Die mit dem Unternehmen kooperierende Werbeagantur beziehe sich vor allem auf zwei Aspekte. Zum einen sei das in den Sanitairbereichen verwendete Wasser umweltfreundlich, zum anderen die verwendeten Reinigunsmittel biologisch abbaubar. Ein Nachhaltigkeitszertifikat habe man keines. "Es tut mir leid, dass ich Ihnen keine Nachhaltigkeitsgeschichte erzählen kann", entschuldigt er sich.
Es gibt aber durchaus Unternehmen, die ihr Geld mit Toiletten verdienen - und Nachhaltigkeitsgeschichten erzählen können. Diejenigen etwa, die alternative Toilettenmodelle verkaufen. Das beste Beispiel für ein solches Modell ist die Humustoilette.
Die Idee der Humustoilette ist bald 36 Jahre alt. Oder noch älter. Oft wird sie dem Künstler Friedensreich Hundertwasser zugeschrieben. Hundertwasser hat sich in seinem Manifest "Scheißkultur – Die heilige Scheiße" intensiv mit dem Thema Stoffwechsel auseinandergesetzt. Die Firma Viva Verde hingegen gibt an, ihr Exemplar sei erstmals 1972, also drei Jahre vor der vermeintlichen Erfindung durch Hundertwasser, in Erscheinung getreten.
Die Humustoilette muss nur alle paar Wochen geleert werden,denn die Exkremente werden in einem Behälter gesammelt. Wer feuchten Humus (alternativ auch anderen organischen Einstreu) über seine Hinterlassungen streut, verhindert hier nicht nur den unangenehmen Geruch, sondern sorgt auch dafür, dass diese verwertet werden können. Der Großteil der Fäkalien wird natürlich zersetzt. Am Ende der Prozedur sind nur noch zehn Prozent davon übrig: als Kompost.
Keine Chemikalien, kein Strom, kaum Wasserverbrauch
Die Toilette wird so zu einer Art Recyclinginstrument, doch besteht der Vorteil dieses Systems nicht einfach nur darin, dass man aus etwas, das ansonsten einfach weggespült werden würde, einen Nutzen gewinnt. Man spart auch unglaublich viel. Die Spülung etwa. Nach jedem Klogang wird eine große Menge Wasser verbraucht - die hier komplett wegfällt. Und nicht nur die: Man braucht auch keine Chemikalien, ja, nicht einmal ein Stromanschluss wird für die Inbetriebnahme einer Humustoilette benötigt.
In Schweden haben die Ökotoiletten längst Einzug in öffentliche Einrichtungen wie etwa Hotels gefunden. Hierzulande sieht es düsterer aus. "Wir sind noch weit von skandinavischen Verhältnissen entfernt", sagt Wolfgang Kühl, Geschäftsführer der Viva Verde GmbH, "hier hat man vielleicht schon einmal von Komposttoiletten gehört, aber keine praktische Erfahrung damit."
Kühl ist optimistisch, dass Humustoiletten künftig eine größere Rolle spielen werden, als es aktuell der Fall ist. "Sie werden sich immer weiter verbreiten. Das Bewusstsein für die sinnvolle Entsorgung wächst gewaltig." Dennoch gilt es vorher, am Umweltbewusstsein der Menschen zu arbeiten. "Ignoranz ist weniger das Problem", sagt Kühl, "eher ist die Fäkaltentsorgung für viele ein Tabuthema, mit dem man nichts zu tun haben möchte."
Und so unnachvollziehbar finde ich das auch gar nicht. Erst vor ein paar Tagen habe ich mir wieder eine Rastmahlzeit gegönnt, die ich mit den vier bei den letzten Fahrten angesammelten Wertbons bezahlte. Und am Ende macht man sich halt doch mehr Gedanken darüber, was man sich mit diesen Bons kaufen soll, als darüber, wie Fäkalien nachhaltiger entsorgen könnte.
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