Alte und ihre Krankheitskosten: Besser leben und schöner sterben
Die Behandlung alter Menschen wird immer teurer: Fast die Hälfte der Krankenkosten entsteht bei über 65-Jährigen. Künftig könnten Alte im Schnitt gesünder sein als heute, so Forscher.
BERLIN taz Was die Zahlenexperten des Statistischen Bundesamtes am Dienstag präsentierten, verhieß nichts Gutes: Die Krankheitskosten steigen immer weiter. Vor allem die wachsende Gruppe der über 65-Jährigen nimmt immer mehr Leistungen in Anspruch. 2006 entfielen laut der Wiesbadener Behörde 111,1 Milliarden Euro der gesamten Kosten im Gesundheitswesen auf Menschen über 65 Jahre, das sind 47 Prozent. Vier Jahre zuvor waren es noch 43,2 Prozent. Experten warnen jedoch vor Schwarzmalerei. Die Bevölkerung werde mit dem Altern immer besser umzugehen lernen - und so nebenbei Kosten sparen.
Über alle Altersgruppen hinweg summierten sich die Krankheitskosten im Jahr 2006 auf rund 236 Milliarden Euro. Dazu zählen fast alle Ausgaben für Gesundheit, die unmittelbar mit Heilbehandlung, Prävention, Rehabilitation oder Pflege zu tun hatten. Einen gewaltigen Batzen von insgesamt 60,1 Milliarden Euro beanspruchte die Behandlung von nur vier Krankheitsgruppen bei über 65-Jährigen.
Am meisten kostete der Umgang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen (24,6 Milliarden Euro). Weit abgeschlagen folgten Muskel-Skelett-Erkrankungen (13,1 Milliarden), psychische und Verhaltensstörungen (12,7 Milliarden) sowie Krankheiten des Verdauungssystems (9,8 Milliarden).
Das liegt aber nicht daran, dass Ältere in den vergangenen Jahren durchschnittlich kränker geworden sind. Vielmehr wächst der Anteil der Menschen über 65 Jahre an der Gesamtbevölkerung, weil weniger Kinder geboren werden als Menschen sterben. Das zeigt sich auch an den durchschnittlichen Behandlungskosten: Pro Kopf kostete die Behandlung eines älteren Menschen im Jahr 2006 6.910 Euro - 4 Prozent mehr als 2002. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum stiegen die Kosten für unter 65-Jährige aber um immerhin 3,5 Prozent. Die Gesundheitskosten erhöhen sich also auch bei den Jüngeren.
Gesundheitsexperten warnen daher davor, die Alterung der hier Lebenden allzu negativ wahrzunehmen. Zwar sehen frühere Prognosen des Statistischen Bundesamtes einen Anstieg der Pflegebedürftigen von heute 2 Millionen auf 2,8 Millionen in zwölf Jahren voraus. Doch greifen bloße Hochrechnungen zu kurz, um ein Bild der Zukunft zu malen, urteilt Adelheid Kuhlmey vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen: "Wer heute 50 ist, kann zum ersten Mal in der Geschichte von Vorbildern lernen, wie es ist, mit den Gebrechen eines 80- oder 90-Jährigen umzugehen. Wo meine 90-jährige Mutter zum Einkaufen noch den Sozialdienst braucht, werde ich im elektronischen Kaufhaus selbst kaufen. Ohne Extrakosten fürs Gesundheitssystem." Heute seien die 70-Jährigen schon so agil wie die 65-Jährigen vor 30 Jahren, sagt Kuhlmey.
Dies könnte, kombiniert mit der immer längeren Lebenserwartung, Folgen für das Sterben vieler Menschen haben. Zum einen nimmt die Zahl der Alten über 90 Jahren immer weiter zu. Zum anderen gilt: Je älter ein Mensch ist, desto weniger Tage verbringt er am Lebensende im Krankenhaus. Kurzum: In Zukunft könnte es mehr Menschen geben, denen nach einem gesunden und besonders langen Leben ein langsames Dahinsiechen erspart bleibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!