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Alte Popper-Scheiße

Retrohölle galore: Mit Shakatak kommt der Soundtrack zu Sekt auf Eis als 80er-Jahre-Funk-Schwof  ■ Von Oliver Rohlf

Alle hassen Shakatak. Genau wie Mezzoforte oder Level 42. Alte Popper-Scheiße, 80er-Schwof mit Seitenscheitel. So, als könnte ein Strumpf von Burlington auf einem Baß slappen. Dieser Argwohn scheint berechtigt, da sich derzeit große Teile des Pop-Mobs auf dem Sprung in die Retro-hölle befinden. Nur daß das Grauen diesmal statt Schlaghosen die Bundfalten der 80er tragen wird. Vergangene Silvester-nacht lief eine Reportage über jene Jahre in Deutschland. Wehe dem, der damals jung war! Denn verschwiegen wurde nichts. Blue Curacao ebensowenig wie Ronald Reagan, Petting und New Wave. Vor allem aber tanzten da Popper durch die Gegend. Selbstbewußt und markengeil agierten diese La Scarpa-Schnösel gegen alles, was nicht nach Lagerfeld roch. Popper wollten nur eines: Posen und gute Schulnoten schreiben.

Bands wie Shakatak spielten den „Sekt-auf-Eis“-Soundtrack dazu. Passend auch das Gründungsjahr der britischen Jazz-Funker. Denn als sich 1981 die Geschmeidigkeit des Funk via Disco-Politur endgültig von der Rissigkeit des Soul löste, kam der handgemachte Standardtanz-Charme von Shakatak gerade recht und ermutigte den Popper zu sinnfreiem Standes-Gesabbel. Blasse Menschen, die teuer aussahen, fanden zu Kaviar und Flöten-Funk solch merkwürdige Werte wie Noblesse oder Dekadenz toll. Wie gerne hätten diese Halbtags-Snobs auf eine adlige Herkunft verwiesen und Wilde zitiert.

Dabei ist keineswegs sicher, ob und wie weit sich die Band dieser dunklen Stellen ihrer Wirkungsgeschichte bewußt ist. Shakatak sehen sich als Jazzensemble mit Groove und in Al Jarreau die Inkarnation des modernen Jazzsängers. Wer erinnert sich nicht an das 84er Smash-Duett „Day By Day“, jenes flüssige Stück Pop-Funk, in dessen Videoclip der Superbarde gemeinsam mit Sängerin Gill Saward über einen Gemüsemarkt schlenderte und den Vormittag zur besten Zeit des Tages erkor. So sollte halt das Leben sein: gesund und funky.

Mit dem Einzug von Synthesizern und Beatprogrammen haben die Briten reichlich Boden unter den Füßen verloren. Die kalte Eckigkeit von Electro-Funk und Styling-Gel wollte so gar nicht zu der alten Dinner-Welt der Gruppe passen – zumal Shakatak an ihren Arrangements festhielten. Und ganz ehrlich, die Jüngsten waren Bill Sharpe, George Anderson und Roger O'Dell schon Ende der 80er nicht mehr. Die 90er sind indes spurlos mit diversen „Best Of“-Alben an Shakatak vorbeigezogen. Daß das elegante Septett jetzt auf Europatournee geht, liegt einfach daran, daß es ein neues Album gibt. Es heißt View From The City und klingt, als würden 50jährige ein Klassentreffen feiern. Natürlich mit Strähnchen im Haar und Collegeschuhen an den Füßen.

Do, 25. Februar, 21 Uhr, Fabrik

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