Altbesetzer und die Liebig 14: Häuserkampf? War einmal!
Auch sie waren jung, haben Häuser besetzt, bekamen Unterstützung. Das ist jetzt 30 Jahre her. Mit der bedrohten Liebigstraße 14 haben die Altbesetzer nichts zu tun.
Gegen Stalinismus
"Soldidarität mit der Liebigstraße ist in unserem Haus kein Thema. Man hat sozial nichts mit den Leuten zu tun. Das sind ganz andere Lebenswelten. Das ist keine Frage des Alters. Aber die Leute in unserem Haus haben natürlich feste Berufe. Die Unterstützer der Liebstraße 14 praktizieren im Unterschied zu früher eine ganz andere Politikform. Früher haben wir auf der Straße auch Druck gemacht. Steine flogen, Barrikaden wurden gebaut. Aber die Aktion gegen das Bezirksamt Kreuzbgerg und der Drohbrief gegen den Bürgermeister löst Abwehr aus. Das ist stalinistisch. Da wird kein Unterschied zwischen der CDU und Schulz gemacht."
Journalist (46) ehemals besetztes Haus in Kreuzberg.
Nichts mitgekriegt
"Ich habe von den Problemen der Liebigstraße Null mitgekriegt. Zero. Wenn die Bewohner Solidarität wollen, müssen sie eine Öffenlichkeitsarbeit machen, die Leute wie mich erreicht. Auf unserem Hausplenum, das einmal im Monat stattfindet, ist Politik kaum Thema. Da geht es hauptsächlich um organisatorische Dinge. Zum Bespiel, ob die Heizung funktioniert. Über politische Fragen diskutierte ich sonntagsmorgens mit meiner Frau im Bett oder mit meiner Tochter am Frühstückstisch."
Schauspieler (55) ehemals besetztes Haus in Schöneberg
Osten ist weit weg
"Wir machen Hausplenum bei Bedarf. Geredet wird hauptsächlich über Hausverwaltungsbelange. Der politische Anspruch ist gering. Über die Liebigstraße weiß ich kaum Bescheid. Was das angeht, ist der Ostteil ganz schön weit weg. Nicht nur räumlich, auch von den Leuten her. Die Westhäuser sind einem näher. Das Wohnen in Selbstverwaltung verbindet. Im Unterschied zu früher wohnen die meisten in der Familie. Das ist eine ganz andere Lebensform als in der Liebigstraße. Aber das ist okay. Jetzt, wo ich so drüber nachdenke, finde ich es eigentlich schade, dass mich die Liebigstraße so wenig interessiert. Es wäre gut, wenn die Leute ein bisschen an unserer Verbügerlichung kratzen würden."
Elektromonteur (52) ehemals besetztes Haus Charlottenburg
Man wird älter
"Die Leute werden älter. Etliche sind immer noch im Kiez oder in politischen Initativen aktiv. Aber das nach außen gehen fällt schwerer. Das ist auch die Erfahrung in anderen Häuser. Reperaturarbeiten werden zunehmend an Handwerker außerhalb vergeben. Früher haben wir das in Selbsthilfe gemacht. In Kreuzberg gab es mal eine Initiative von den Hausbesetzern und anderen Engagierten, den Osthäusern mit einer Anschubhilfe unter die Arme zu greifen. Die Westhäuser hatten ja bessere Startbedingungen. Wir haben für die Sanierung unserer Häuser damals staatliche Unterstützung bekommen. Die Idee scheiterte daran, dass die persönliche Verbindung zu den Osthäusern fehlte."
Handwerkerin, 47, ehemals besetztes Haus Kreuzberg
Keine Antwort
"Es gibt keine Kontakte zu den Osthäusern. Wir haben das vor 20 Jahren mal versucht. Unser Eindruck war: Es besteht kein Interesse. Auf jeden Fall hat sich daraus nichts entwickelt. Vom Einzelwohnen über Familie bis zum Wohnen in Großgruppen gibt es bei uns noch alles. Die Hausbelange werden gemeinschaftlich diskutiert und entschieden. Wir haben einen gemeinsamen Briefkasten und wir haben einen E-mail Verteiler für politische Aktionen. Warum ich mich für die Liebigstraße nicht einsetze? Ich habe keine Antwort. Das ist eine andere Generation. Die soll das machen. Vielleicht liegt es auch am Alter. Vieles was ich früher gemacht habe, würde ich heute nicht mehr machen. Allein bei der Vorstellung, zu renovieren, krieg ich Rückenschmerzen."
Lehrer (55) ehemals besetztes Haus in Schöneberg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen