: Altbekannte Widerstandsrhetorik
Ost-West-Frauenkongreß für neues Abtreibungsrecht/ Tausend Teilnehmerinnen fordern ersatzlose Streichung des Paragraphen 218/ Statt Strategiediskussion gegenseitige Selbstbestärkung ■ Aus Berlin Helga Lukoschat
Da wurden vorgeführt: der Paffe im Lebensschützer-Tango und eine horrible Embryo-Patin, da gab es Szenen über das „muttierte Glück" und die Mogelpackungen für Schwangere, genannt „soziale Hilfen“. Da wurden diverse Koryphäen der Gynökologie und kirchliche und weltliche Würdenträger verspottet und Sprüche geklopft wie: „Verhütung ist Mord am ungezeugten Leben.“
Fast drei Stunden dauerte das „Tribunal“ auf dem Frauenkongreß „Kein Paragraph 218 in Ost und West“ am Wochenende in der Ostberliner Humboldt-Universität. Sketche, Text-Musik-Collagen, Informationen, Gedichte — ein Versuch, dem Thema Abtreibung auf modisch-multimedialer Form neue Töne abzugewinnen. Manchmal gelang das, war da Witz und Polemik, manchmal war es nur Laientheater und Agitprop, ein bißchen peinlich und ein bißchen bieder. Das Publikum, auf dem Höhepunkt des Tages rund 1.000 Frauen, war geduldig mit den Schwächen und Längen und eifrig im Klatschen; zum Schluß, als Rockröhre Nina Hagen, inzwischen glückliche Mutter, per Band ihren uralt Anti-Baby-Song Warum soll ich meine Pflicht als Frau erfüllen, zum Besten gab, kam sogar Jubel auf. Der zweitägige Frauenkongreß, am Samstag „Tribunal“ und Arbeitsgruppen, am Sonntag eine Podiumsdiskussion mit Politikerinnen, sollte den Bonner PolitikerInnen klarmachen, die Frauenbewegung mischt sich ein in die aktuelle Auseinandersetzung. Veranstaltet hatte den Kongreß ein autonomes Frauenbündnis aus Ost und West (bundesweite Paragraph-218-Koordination, Unabhängiger Frauenverband). Mit großer Vehemenz und Einmütigkeit wurde die Forderung nach ersatzloser Streichung des Abtreibungsparagraphen bekräfigt. „Frauen bauchen keine Bevormundung, weder durch Fristen, noch durch Zwangsberatung, sondern ein ungeingeschränktes Selbstbestimmungsrecht“, hieß es in der Resolution. Als „Kriterien“ für eine akzeptable Neuregelung wurden darin genannt: die Streichung der Paragraphen 218 und 219ff aus dem StGB, die alleinige Entscheidungsfreiheit der Frau, ausreichendes Angebot von kostenlosen Abbruchsmöglichkeiten sowie Beratung und Information auf Wunsch der Frau.
Nun sind das alles, zumindest für westliche Feministinnen, keine neuen Forderungen; aber offenbar war das Bedürfnis nach Selbstvergewisserung größer als eine politisch- taktische Diskussion, wie die Entscheidung in Bonn denn nun im eigenen Sinne zu beeinflussen ist. Erst ganz am Ende der Podiumsdiskussion wurde die Frage nach „Strategien“ aufgeworfen und erst da wurde es kontrovers. Eva Kunz und Karin Junker von der SPD warben um Veständnis, daß die SPD in Bonn Mehrheiten suchen und Kompromisse eingehen müsse und wurden dafür vom Publikum erwartungsgemäß hart angegangen. Jutta Österle-Schwerin von den Grünen dagegen vertrat die viel beklatschte Ansicht, nur das kompromißlose Eintreten für die ersatzlose Streichung verspreche längerfristig Erfolg. Eine parlamentarische Mehrheit für eine Fristenregelung ohne Zwangsberatung sei ohnehin nicht in Sicht, entweder der FDP- Entwurf oder einer der Vorschläge der CDU-Frauen würden zum Zuge kommen. Dagegen komme es darauf an, die SPD, falls sie denn künftig in Bonn regieren könnte, schon jetzt unter Druck zu setzen und ansonsten außerparlamentarsich aktiv zu werden. Widerspruch erntete sie allerdings von der feministischen Strafrechtlerin Monika Frommel. Gegenwärtig sei es das Wichtigste, die Verabschiedung einer der neuen Indikationenmodelle der CDU zu verhindern, da diese eine „Verrechtlichung“ von Beratung bedeuteten und Freiräume, die es heute in Bundesländern wie Hamburg oder Berlin gibt, einschränken. Für Bayern aber würde es dennoch keine Verbesserung geben, da die bayerischen Gerichte auf der „Überprüfbarkeit“ von Indikationen bestehen würden. Frommel plädierte sogar dafür, sich eventuell auf den FDP-Entwurf einzulassen, solange dieser Möglichkeiten für eine „staatsfreie“ Beratung in Artpraxen oder Gesundheitszentren zulasse. Die „Zwangsberatung“ könnte so mit Mitteln der „Frauenkultur“ unterlaufen werden. Ein Vorschlag, der für die Frauen offenbar so aus dem Rahmen fiel, daß darüber gar nicht mehr diskutiert wurde. Stattdessen bekräftigten die Frauen in ihrer Resolution, „jeder Versuch, ein restriktives und bevormundetes Abtreibungsrecht zu schaffen, wird auf den andauernden Widerstand von uns Frauen treffen“.
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