: Altbekannte Einseitigkeit
■ betr.: „PDS will das Grundgesetz der BRD retten“, taz vom 9. 8. 98, „Lektüre für den Strandkorb“, taz vom 10. 8. 98
In der Berichterstattung über den Brief führender PDS-Politiker an Ex-Bundespräsident von Weizsäcker wird leider altbekannte Einseitigkeit praktiziert. In den Mittelpunkt werden die Themen „Mitverantwortung für Unterdrückung und Unrecht in der DDR“ und das „Bekenntnis zur Einheit, zur FDGO und zur Marktwirtschaft“ gerückt, die nur einen kleinen Teil des Briefes einnehmen.
Es ist keine Rede davon, daß nach dem Anschluß der DDR 85 Prozent des ostdeutschen Produktionsvermögens in westdeutsche Hände fielen und nur fünf Prozent an Ostdeutsche. Es ist keine Rede davon, daß vier Fünftel der ostdeutschen Industrieforschung und ein großer Teil des Wissenschaftspotentials an den Hochschulen abgewickelt wurden. Es wird verschwiegen, daß weniger als drei Prozent der Führungskräfte in der ostdeutschen Forschung aus dem Osten kommen. Es wird dem Leser vorenthalten, daß Tausende Bürgerinnen und Bürger aus der DDR unter Vorwand der „Staatsnähe“ ohne rechtsstaatliche Prüfung individueller Verantwortung aus Lohn und Brot gedrängt wurden oder die Renten gekürzt bekamen, daß Tausende ihre Grundstücke und Häuser an „Alteigentümer“ aus dem Westen verloren. All dies vollzog sich im Namen von Rechtsstaat und Freiheit, indem rechtsstaatliche Prinzipien mit Hinweis auf ostdeutsche Herkunft partiell außer Kraft gesetzt wurden und werden. Ebenso wird im Brief dargelegt, daß im Namen der Marktwirtschaft die Steuerbelastung von Vermögen und Gewinnen in den letzten 17 Jahren um zwölf Prozent sanken, während die Steuerbelastung von Löhnen und Gehältern um sieben Prozent anstieg. Viele Millionen Menschen wurden arbeitslos bei rasant steigenden Gewinnen des Kapitals. Das Wohl der Allgemeinheit wird den wachsenden Gewinnen einiger weniger geopfert, während das GG fordert: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
Indem die PDS als einzige authentische ostdeutsche Partei diese schlimmen Erscheinungen immer und immer wieder thematisiert, leistet sie aktive Interessenvertretung für die Menschen in Deutschland-Ost, wie es keine der anderen west-dominierten Parteien tun kann. Diese richten ihre Politik nach den Interessen ihrer mehrheitlich westdeutschen Wähler, wodurch die Interessen des Ostens früher oder später hinten runterfallen. Stefan Ullmann, Berlin
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