Als wär's ein anderes Stück

■ Dritter Teil der Ausstellungs- und Theaterproduktion der Kulturetage OL

“Treten Sie einzeln in die Kartenhalle!“, die ferngesteuerte Aufforderung geleitet die Eintretenden durch ein kabelverdrahtetes Tor in klinisch-kalte Empfangsräume, wo die BesucherInnen ihre EDV-ausgedruckte Platzanweisung erhalten. Willkommen in den 80er Jahren! Treppauf geht es über Transparente wie „Nieder mit dem Imperialismus“ stolpernd in die „Götterhalle“, wo auf Videoschirmen die Bilder der 70er und 80er Jahre flimmern; Alltags-, Konsum-, Schreckensbilder. Dieser Ausstellungs-und Medienteil ist fester Bestand der Produktion zu dem Stück „Als wär's ein anderes Leben“, dessen überarbeitete Fassung der Regisseur Norberto Presta und das Ensemble der Kulturetage am Donnerstag vorstellten.

„In der Neubearbeitung wird die Beziehungsebene stärker akzentuiert,“ erläutert Bernd Wach, der Dramaturg. Trümmerfrauen, Nachkriegsmänner, graue Sackkleider: da kommen wir her. Die Caprifischer erklingen, Hüllen fallen, graue Gestalten mausern sich in Petticoats und Glittersakkos, werden zu Hippies, enden im Lagerfeld-Dress, sich verrenkend zu den Kompositionen von Uwe Bergeest und Markus Rohde.

„Herzlichen Glückwunsch“, Erika hat Geburtstag, ein Wiedersehen, ein Rückblick auf die alten Zeiten, als Heinz-Hermann noch die rote Fahne schwang und „Venceremos“ schrie. Dessen Frau Ursula, eine perfekt inszenierende Ästhetin, Besitzerin einer Modeboutique. Da sind noch Brigitte und Joachim. Er reüssierte als Autor eines Buches über die Bewegung, einer Bewegung der großen Utopien und Gefühle, die er selbst übers zehnjährige Schreiben verlor. Ein Wiedersehen ohne Erinnerung, „nein, fangen wir nicht wieder damit an“, stattdessen ein kleines Happening mit Farben und Transparenten, ein Tanz der Eitelkeiten auf dem großen Präsentationstisch der Selbstdarstellung. Innere Monologe der arrivierten 68er, „alle sind Verlierer, nur ich nicht“, Beziehungsdolchstöße, Hypokrisien.

„Wir wollen nicht ein Theaterstück machen, wo wir zeigen, die Sachen sind so, sondern sie selbst entwickeln, erleben“, betont Norbert Presta. Die Probenarbeit war eine ständige Suche in der Improvisation, „und dieser Prozeß geht während des Spielens weiter,“ weiß Uwe Petersen.

Eine gewisse Hilflosigkeit ist somit den überwiegend spritzig- hintergründigen Dialogen zeitweise anzumerken. Es ist die Unklarheit der eigenen Geschichte, die keine Distanz gewährt.

Nun, da alle Illusionen zerplatzt sind, suchen die Paare einander, müde von den Kämpfen, Vorhaltungen, dem Maskenspiel, finden sie doch nur ihre Beziehungslosigkeit. Kälte, Entfernung, der Versuch, das Scheitern; die Zärtlichkeit, die Ernüchrterung; die Suche, die Sehnsucht, der Kampf, das Fallenlassen. Das Ringen um Nähe wird zum Armdrücken, Frauen suchen Frauen, Männer stoßen Männer von sich, die Paare wechseln — in gelungener Choreographie — vorübergehend, Paare stehend, fallend, im Labyrinth der Isolation, verwirrt, jeder für sich. Status Quo? Marijke Gerwin