Als potentielle US-Handlanger beschuldigt: Oppositionelle in Syrien inhaftiert

Nach einem Treffen der Opposition nimmt das syrische Regime zwölf Aktivisten fest. Ihnen wird vorgeworfen, einer Organisation anzugehören, die das politische System stürzen wolle.

Seit mehr als zwei Monaten in Haft: der krebskranke Regimekritiker Riad Seif. Bild: rtr

DAMASKUS taz Zwei Monate dauert die Kampagne gegen die syrische Opposition nun schon. Mehr als 40 Regimekritiker sind nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen verhört worden, 12 von ihnen befinden sich in Haft, und die Meldungen über neue Festnahmen reißen nicht ab. "Zehn Aktivisten waren wochenlang verschwunden, ohne dass ihre Angehörigen etwas von ihnen wussten", sagt die syrische Rechtsanwältin Razan Zeitoune. Erst als sie am 28. Januar dem Untersuchungsrichter vorgeführt wurden, erfuhren ihre Verteidiger, wo sie gewesen waren: in einem Verhörzentrum des Staatssicherheitsdienstes. Im Gerichtssaal berichteten die Oppositionellen von Schlägen und widerriefen Aussagen, zu denen sie unter Folter gezwungen worden waren. Zeitoune, die seit Jahren im Bereich Menschenrechte arbeitet, war bei ihrem Anblick schockiert. "Sie waren mit ihren Kräften am Ende, müde und abgemagert", erzählt sie.

Der Anlass für die Verhaftungswelle scheint eindeutig. Am 1. Dezember 2007 hatten sich 163 Aktivisten der Damaszener Erklärung in der Wohnung des bekannten Regimekritikers und ehemaligen Parlamentsabgeordneten Riad Seif getroffen. Der Nationalrat der Damaszener Erklärung, eine Plattform für verschiedene Oppositionsgruppen in Syrien, wählte ein neues Führungsgremium und bestimmte Seif zum Vorsitzenden. "Über zwölf Stunden tagten sie", erinnert sich Seifs Frau Pelican Mourad, die selbst überrascht war, dass so viele Oppositionelle kommen konnten. Das Treffen sei ein Schock für die Geheimdienste gewesen, meint Mourad, nun versuchten sie, die Opposition zu zerschlagen.

Janbulat Shakai, ein syrischer Journalist und Korrespondent ausländischer Medien, glaubt nicht an einen Überraschungscoup der Regimegegner. Eine Veranstaltung solchen Ausmaßes könne unmöglich ohne das Wissen der Geheimdienste stattfinden, sagt der 41-Jährige. "Das Regime hat das Treffen bewusst zugelassen, um zu sehen, wer kommt und welche Pläne sie haben", meint der Journalist. So sei es den Machthabern gelungen, diejenigen Oppositionellen aus dem Verkehr zu ziehen, die sie am meisten fürchteten - nicht wegen ihres Rückhalts in der Bevölkerung, sondern wegen ihrer ausländischen Kontakte.

Obwohl die Vertreter der Damaszener Erklärung offiziell für eine friedliche schrittweise Demokratisierung von innen werben, betrachtet das Regime sie als potenzielle Handlanger der US-Regierung. Nach Afghanistan und Irak könnte Washington auch in Syrien versuchen, das Regime mit Hilfe von einheimischen Oppositionellen zu stürzen. Diese Sorge zeigt sich in den Anschuldigen gegen die Inhaftierten. Ihnen wird vorgeworfen, einer Geheimorganisation anzugehören, die das politische und wirtschaftliche System verändern will, zu ethnischen Unruhen aufzurufen und falsche Informationen zu verbreiten.

Bis zum Prozessbeginn sitzen die Oppositionellen unter teilweise sehr schlechten Haftbedingungen im Gefängnis von Adra. Riad Seif schläft nach Angaben seiner Frau auf dem Boden eines zugigen Korridors ohne Matratze und Decken. Da der 60-Jährige an Prostatakrebs und Bluthochdruck leidet, macht sich Pelican Mourad große Sorgen. "Ich weiß nicht, wie lange seine Gesundheit das aushält."

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