Alohachérie hat sich als kollektiv auf veganes Essen spezialisiert: Wie viel Reiki braucht der Wurstersatz?
Mundwerk
von Christoph Raffelt
Als ich Pfingstmontag die Alohachérie-Manufaktur in Hamburg-Bahrenfeld betrete, dringen leise, sphärische Klänge an mein Ohr. In einer Ecke sitzen zwei Musiker mit Handpans im Schoß. Handpans sind Instrumente, die aussehen, als habe man zwei Woks eingedellt und mit den offenen Seiten aufeinander geklebt. Sie klingen etwa so, als seien jamaikanische Steeldrums zum Buddhismus übergetreten.
Die weiche Musik untermalt gedämpftes Geplauder. Wir warten auf einen Tisch, werden zugewiesen, müssen aber wieder aufstehen, weil dort eigentlich schon andere sitzen, warten wieder und irgendwann findet sich doch noch ein Platz. Der ist glücklicherweise nur wenige Schritte vom Buffet entfernt.
Während ich bedauere, dass die Musiker verschwunden sind, obwohl laut Website gerade die Gäste ab 13.30 Uhr in den Genuss der Klänge kommen sollten, entdecke ich, dass das Buffet von Analogkäse und Wurstersatz bis zu Salaten und Variationen von Gnocchi alles bietet, was das vegane Herz verlangt.
Ich blättere die Getränkekarte durch und finde erst einmal nur Produkte eines bekannten Limonadenproduzenten, was mich wundert, denn unter „Philosophie“ steht bei der Alohachérie-Manufaktur, dass man bei Lebensmitteln auf Kristallzucker verzichte. Aber vielleicht sind die Limonaden ja auch kein Lebens-, sondern nur ein Genussmittel, dann geht das natürlich mit dem Kristallzucker.
Ich entscheide mich nach längerem Grübeln für einen frischen Minztee und warte auf die Bedienung. Zwanzig Minuten später könnte ich meine Bestellung aufgeben, wenn es denn frische Minze gäbe. Da das nicht so ist, möchte ich noch mal kurz in die Karte schauen. Ein Fehler, denn die Bedienung wird bis zu unserem Aufbruch nicht mehr vorbeischauen.
Während des Wartens lausche ich verstohlen dem Gespräch meiner Tischnachbarn. Da dreht sich alles um ein Schamanismus-Retreat, das die drei kürzlich mit einem indianischen Stammesangehörigen abgehalten haben. Während ich die lauwarm angebotene Spargelsuppe löffle, bemerke ich, wie die Tischnachbarn kurz innehalten, um ihrem Wurstersatz Reiki zu geben, während mir der zwölfte Teil des Tatortreinigers einfällt, wo es um schamanische Permanentreinigung geht.
Ich frage mich, wie viel Reiki wohl notwendig sein mag, um Wurstersatzgemische aus kaltquellendem Psyllium und geliertem Cellulosederivat energetisch so permanent und vollständig zu reinigen, dass beim Channeln nicht plötzlich der Kanal verstopft.
Für Alohachérie haben sich Spitzenköche, Ernährungsberater und Food-Designer zusammengetan: www.alohacherie.de
Christoph Raffelt schreibt seit 2007 über Wein, Bier und handwerklich gemachte Produkte –vor allem in seinem Magazin originalverkorkt.de.
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