piwik no script img

■ Noch schöner als die rosarote Brille: keine BrilleAlltagswunder in der Einkaufsstraße

James Thurber beschreibt einmal, wie er seine Brille zertreten hat und wie er anschließend in den Straßen New Yorks die sonderbarsten Dinge beobachtet. Zum Beispiel sieht er einen sehr kleinen General, der aus dem Fenster guckt und einen Dreispitz auf dem Kopf hat. Nachher war es dann nur ein Blumentopf.

Probleme mit kaputten Brillen habe ich überhaupt nicht, weil ich meine sowieso nie aufsetze – außer im Kino –, die sieht nämlich so imperialistisch aus. Ich meine damit, daß dazu nur noch ein künstliches Orchideengesteckt plus Namensschild (Mrs. Harry S. Schnurpl) am Busen fehlt, und ich könnte direkt aus dem Stand die amerikanische Botschaft überfallen, ohne daß es groß auffallen würde.

Neulich fuhr ich in Berlin, natürlich ohne Brille, an einem Haus vorbei, auf dem in großen Buchstaben „Potenzamt“ stand. Da kam ich gleich ins Träumen. TÜV für Männer!

„Sehr geehrte Frau Müller“, stellte ich mir vor, würde amtlicherseits ein Brief beginnen, „am Montag dem soundsovielten um 14 Uhr ist die jährliche Überprüfung Ihres Mannes fällig. Erscheinen Sie bitte pünktlich um 14 Uhr ...“ Da würde ich ihn dann abliefern, eine schöne Tasse Kaffee trinken gehen, bis er – bis sie ihn – also, bis sie irgendwie mit ihm fertig sind oder ihn erledigt, ich meine, fertiggemacht haben, und abends hätte man im Freundinnenkreis ein herrliches Thema. („... und bis wann hat deiner die Plakette ...?“) In Wirklichkeit hieß es natürlich „Patentamt“.

In der Großen Bergstraße, einer Einkaufsmeile in Hamburg, ist mir was Ähnliches passiert. Ich stand mit einer Bekannten vor dem Schaufenster eines Elektroladens und las: „Dieser Herd hat eine elektronische Topferkennung.“ Das lag ja jetzt wieder an der fehlenden Brille, denn einen Topf als solchen zu erkennen, schien mir immer die vornehmste Aufgabe eines jedweden Herdes gewesen zu sein, und meine Herde hatten sich bisher auch ohne Elektronik nicht dumm angestellt und einwandfrei jeden Topf erkannt, den ich auf sie draufgestellt habe. Diesmal hatte ich aber richtig gelesen; meine Bekannte hat es mir noch einmal vorbuchstabiert. Fanny Müller

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen