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■ Alltagsbewältigung mit dem siebten SinnDer BMW im Weg

Einer jener Tage im April, da Vorboten der guten Jahreshälfte durch die Straßen wehen; das Fahrrad packt man aus an solchen Tagen, läßt sich zur Arbeit rollen und wünscht den Schwalben Glück, wenn sie, Sternschnuppen des Tages, pfeilschnell durch die Häuserschluchten flirren, dabei erste kleine Fliegenkinder fangen und verdrücken. Plötzlich aber muß man anhalten. Am Beginn einer Sackgasse stehen sich zwei Autos gegenüber, Schnauze an Schnauze, leicht versetzt, und weil die Sackgasse sehr schmal ist und auch die Bürgersteige zugeparkt, kann man nicht dran vorbei. Sondern kommt zu stehen und hat den Salat: zwei Stimmen aus zwei Autos, die Stimmen der Fahrer.

„Herrgott noch mal, was soll das denn?“

„Machen Sie Platz! Na los, weg da!“

Die erste Stimme weiblich, die zweite männlich. Eine noch gefaßt, die andere vorm Überdrehen. Ich sitze auf dem Rad, den rechten Fuß am Boden, und freue mich am Anblick jener wunderschönen jungen Frau, deren linker angewinkelter Arm aus dem geöffneten Seitenfenster lugt. Nun sieht die Frau mich auch. „Soll ich etwa wirklich zweihundert Meter zurückrollen? Wenn der Trottel nur ein Stückchen rückwärtsfährt, paß' ich vorbei.“

„Von wegen! Nix da! Sie haben mich doch kommen sehen! Sie müssen zurückfahren!“

„Aber, ich bitte Sie.“

„Ähhh, nix da! Ich bleibe hier! Gröh!“

Ich drehe den Kopf nach hinten und nicke einem BMW 530i zu. Viel spiegelt sich in der gewienert glatten Frontscheibe, doch ist ein breitkinniger, kaum zwanzig Jahre alter Deppsmarthans sofort erkennbar; ein wohl auch seitens Gott konzeptionell zum Streicheln freigegebenes Jungbörsianerferkelchen mit Schirm, Chance und jenen süßen Erfolgsstirnknitterfalten, die diese Jungwildsäue immer tragen, wenn sie bei ihren Warentoptermingeschäften wieder mal die Hauer vorne hatten – so einer hockt in seinem unvermeidlichen Prunk-BMW 530i und baut heilfroh den Dreck, den man von ihm erwartet, sagt:

„Ich hab Zeit!“

Und stellt, das fötenblöde Meerschweinchen, den Motor aus. Da, plötzlich, will ich nicht mehr. Will diesen lichten Morgen nicht verdunkelt kriegen von einem frühvergreisten Dollarmolch. Ich steige ab, marschiere aufgeregt zur Fahrertür des BMW und drechsele meinen Kopf ins Seitenfenster:

„Ich zähle bis drei. Eins.“

Nichts geschieht.

„Zwei.“ Nichts. Ein zäher Bursche.

„Drei. – Okay, Jungchen, du hast es nicht anders gewollt. Wie heißt du laut Geburtsurkunde?“

„Sag' ich Ihnen nicht“, schnurrt der Blödel und bleibt still.

„Ich könnte mir aber deine Autonummer aufschreiben oder zumindest merken und beim Straßenverkehrsamtsdirektor den Namen des Fahrzeughalters anfordern.“

„Stimmt. Ojemine!“ Der Fahrer wird ganz bleich. „Und dann?“

„Dann würde ich ... alles erzählen. Wer du bist, daß dein Auto hier doof rumgestanden hat und so.“

„Um Himmels willen, nur das nicht!“ Jetzt kriecht er fast in seinen Airbag. „Und wem würden Sie alles erzählen?“

„Na, zum Beispiel deiner Frau Mama! Und weißt du, was es dann hageln tut? Weißt du das eigentlich?!“

„Nein, bitte! Bloß keinen Stubenarrest! Ich setze auch sofort zurück!“

Und das, liebe Kinder, tat er dann auch. Und damit endet unser kleines Storyboard. Jetzt aber husch in die Biergärten! Thomas Gesella

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