Alltag in Griechenland: Die Kunst, von 300 Euro zu leben
Die Rentnerin Anna Zoi versucht, die kleinen Freuden des Lebens zu genießen. Ein Kunstwerk der Documenta hilft ihr dabei.
Der Minimalist hat ein buntes Festzelt aufgestellt, in dem jeden Tag über 200 Menschen kostenloses Essen bekommen und scheinbar zwanglos zusammensitzen: Ältere und Jüngere, Flüchtlinge und Einheimische, die Athener und ihre Tagestouristen. Auch das ist Kunst in dieser Ecke der griechischen Hauptstadt, in die sich nach Sonnenuntergang kaum jemand traut. Viele kommen wegen der Armenspeisung, sitzen schüchtern in ihrer Ecke, sind nicht auf Unterhaltung aus.
„Nein, es geht mir nicht um das Essen. Ich komme hierher, weil ich einsam bin und das Gespräch mit anderen suche, ich brauche das“, sagt Anna Zoi. Es ist der schönste Moment des Tages. Ohne Schwermut erzählt die Rentnerin aus ihrem Leben. Große Sprünge sind nicht mehr drin. Vor der Krise lebte die Dame von immerhin 650 Euro im Monat. Nach sämtlichen Sparrunden und Rentenkürzungen bekommt sie nur noch 300 Euro. Ihre Freunde sind ihr Reichtum, findet sie.
Begeistert berichtet Anna Zoi von ihrer jüngsten Bekanntschaft mit Besuchern aus Deutschland. Kurz vor Ostern hatte sie hier, am alten Rathaus, Adriana und ihren Mann kennengelernt. Sie fragte die beiden, ob sie Lust hätten, am Ostersonntag das Stadtviertel Maroussi im Norden Athens zu besuchen. Dort steigt jedes Jahr ein traditionelles Osterfest im Freien mit allem, was dazu gehört: Lammspieße im Garten, Rotwein für alle, Volkstanz und ansteckend gute Laune – Krise hin oder her.
Anna Zoi
„Die beiden sind gekommen und haben zum Glück auch zwei Freunde mitgebracht. Sie konnten einfach nicht glauben, dass sie mitmachen dürfen, obwohl sie dort niemanden kennen“, sagt die Rentnerin aus Athen.
Fast zu Tränen gerührt waren sie und ihre deutsche Freundin, erinnert sich Anna Zoi. Irgendwann habe man sich auch über die wirtschaftlichen Probleme im Land unterhalten. Die Gäste aus Deutschland wollten mehr wissen. Da wird Anna Zoi auf einmal wortkarg: „Ja, die waren natürlich ganz traurig.“
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